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Die Dunkelheit in den Bergen

Die Dunkelheit in den Bergen

Titel: Die Dunkelheit in den Bergen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvio Huonder
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nicht. Dort ist soviel Verkehr, dass man nicht unbemerkt unterwegs sein kann.
    Die Schwalben verschwanden mit dem Tageslicht. Fliehende Schatten zuckten nun über den abendlichen Himmel. Fledermäuse.
    Wir wollen uns in der Umgebung der Mühle einmal umschauen, sagte Hostetter. Kannst du solange auf unsere Pferde aufpassen?
    Sie stiegen den Hang hinter der Mühle hoch, immer am Bach entlang. In der Dämmerung suchten sie im Schlamm nach Fußspuren, fanden aber nichts. Auf einer Lichtung mit gutem Ausblick setzten sie sich eine Weile hin.
    Wohin würdest du fliehen?, fragte Hostetter. Der Mond ging hinter ihnen auf, nicht ganz voll, aber groß und leuchtend. Es schien eine schöne helle Nacht zu werden. Sie hielten eine Weile schweigend nach allen Richtungen Ausschau, dann blickten sie nach Süden, ins Safiental. Ein langes stilles Seitental, ein paar kleine Dörfer, wenig Verkehr. Verglichen mit den drei anderen Richtungen, ins Oberland, durch das Domleschg oder das Churer Rheintal war das Safiental die naheliegendste und ruhigste Möglichkeit.
    Rimmel hat einen ganzen Tag Vorsprung, sagte Hostetter. Wir sollten uns entscheiden. Keine Zeit mehr verlieren.
    Safiental, sagte Rauch.
    Hostetter nickte. Der Entschluss war gefasst. Sie stiegen zur Mühle hinunter, füllten ihre Feldflaschen mit Brunnenwasser und banden die Pferde los.
    Der Knecht erklärte ihnen den Weg. Bis zum Dorf Safien brauchte man zu Fuß fünf Stunden. Wenn man sich, wie Rimmel, nicht sehen lassen durfte, sogar einiges mehr.
    Hostetter und Rauch tranken Wasser vom Brunnenrohr. Kurz darauf ritten sie im Schritt die leicht ansteigende Straße hinauf. Der Mond wies ihnen den Weg.
    Als die Straße flacher wurde, begannen sie zu traben. Hostetter versuchte etwas, was er bei holländischen Kavalleristen beobachtet hatte (die es wiederum von den Engländern abgeschaut hatten): Bei jedem zweiten Schritt hob er sich etwas aus dem Sattel, um sich gleich wieder hinzusetzen, auf und ab, mit leicht vorgebeugtem Oberkörper, immer vom Schwung des Pferderückens angetrieben. Das war bedeutend angenehmer, als sich durchschütteln zu lassen.
    Schau!, rief er begeistert, wie die Engländer!
    Rauch zog es vor, sitzen zu bleiben und sich schütteln zu lassen. Wie früher zu Fuß, hatte auch auf dem Pferd jeder seinen eigenen Rhythmus.
    Nach einer halben Stunde erreichten sie einen Bauernhof. In einem der Fenster brannte noch Licht. Hostetter stieg ab und klopfte an.
    Die Tür wurde nicht geöffnet, aber am Fenster erschien das Gesicht eines Bauern, der misstrauisch nach draußen blickte. Dann kam das Gesicht einer Frau dazu.
    Hostetter fragte nach einem Tiroler. Das Bauernpaar starrte durch die Fensterscheiben und reagierte nicht.
    Hört ihr mich überhaupt?, fragte Hostetter laut.
    Am Fenster wurde ein Scheibenfeld aufgeschoben. Was wollt ihr? Es ist Nacht, rief der Bauer hinaus.
    Hostetter gab sich als Landjäger zu erkennen und sagte: Wir suchen einen kleinen, schmächtigen Mann, einen Tiroler namens Franz Rimmel.
    Das Paar hinter dem Fenster schüttelte den Kopf und schob die Scheibe zu.
    Hostetter stieg wieder auf, und sie ritten weiter ins Safiental hinein. In Sculms, eine Stunde später, lagen die Häuser dunkel und still. Hostetter klopfte trotzdem an. Nur in einem Haus zeigte sich noch jemand wach, aber Hostetter musste durch die geschlossene Türe sprechen. Seine Anrede war knapp: Landjäger! Wir suchen einen Tiroler, klein, etwa fünfzig Jahre alt.
    Die Stimme hinter der Tür wollte ihn nicht kennen oder gesehen haben.
    Es ist zu spät, um Nachforschungen anzustellen, sagte Hostetter, als sie durch das schlafende Dorf ritten. Kurz hinter Sculms blieben sie stehen. Der Mond war hinter dem Berg verschwunden. Sie nahmen den Pferden Sattel und Zaumzeug ab, banden ihnen das Halfter um und machten die Stricke an einem Strauch fest. Dann legten sie sich am Wegrand auf den Boden, nahmen den Sattel als Kopfkissen und warteten auf die Morgendämmerung. Nach kurzer Zeit schliefen sie ein.
    41 Baron von Mont und der Medizinalrat Doktor Gubler waren noch vor Einbruch der Nacht zusammen nach Chur zurückgefahren. Die Fahrt hatte zwei Stunden gedauert. Baron von Mont hatte das Angebot von Großrat Vieli dankend abgelehnt, seinen Knecht das Gespann nach Chur fahren zu lassen, und sich stattdessen selbst auf den Bock gesetzt. An diesem Abend war ihm rasches Handeln wichtiger als Repräsentation. Er wollte schnell und ohne weitere Umstände nach Hause und ließ die beiden

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