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Die dunkle Armee

Titel: Die dunkle Armee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Barclay
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Kämpfen konnte sie allerdings, und sie verstand mit dem Bogen umzugehen. Sie hätte rasch aufsteigen können, doch leider riss sie immer wieder im falschen Augenblick den Mund auf. Manche lernten es nie.
    »Weißt du was, Lissa? Wenn es bei den Spielen das goldene Laub fürs Meckern gäbe, dann würdest du jedes Mal auf dem Balkon geehrt.«
    »Ja, aber es ist doch wahr, Zenturio. Schau uns nur an. Wir sind hier aufgestellt – wie viele sind wir? Zwanzig allein auf dieser Plattform? Und wozu? Nur damit Botschafter Del Aglios angenehm in seinem Bett schlafen kann.«
    »Er ist jetzt wohl wieder General Del Aglios, oder? Ich sag dir was, Legionärin. Wenn Del Aglios uns hier oben postiert, dann hat das nichts mit seinem Schönheitsschlaf zu tun. Er tut es, weil er etwas weiß. Er hat mehr Schlachten gewonnen, als du Liebhaber hattest, und das will was heißen.«
    Helanius verkniff sich eine scharfe Antwort und kicherte. »Sehr witzig, Zenturio. Vielleicht hast du ja recht. Aber es kommt mir so sinnlos vor. Drei Leute könnten genug Lärm schlagen, falls die Feinde anrücken. Jetzt sind hier, gleich unter uns, vier Manipel in Bereitschaft, und die Onager sind geölt. Wir wollen doch ehrlich sein, sie kommen nicht, und das hier ist nur eine Machtdemonstration.«
    »Das werden wir noch sehen. Ich weiß nur, dass wir die Front keinen Moment aus den Augen lassen dürfen, und wir sollten auch nicht von Tee und Lagerfeuern träumen. Deshalb würde ich vorschlagen, dass du wieder nach draußen schaust.«
    »Jawohl.« Helanius stieß die Hüften in seine Richtung vor und wandte sich zu den Tsardoniern um.
    Charikus unterdrückte ein Lachen, bekam sogar ein Stirnrunzeln zustande und schüttelte den Kopf. Dann kümmerte er sich wieder um seine eigenen Befehle. Die Pfeile bemerkte er einen Herzschlag, bevor sie über die Wehrgänge und zwischen den Zinnen hindurchsausten. Es ging viel zu schnell, um noch einen Warnruf auszustoßen. Er taumelte einen Schritt zurück, sah die Schäfte in seiner Brust und spürte einen stechenden Schmerz in der Kehle. Er tastete nach den Wunden, das Blut spritzte über seine Hände. Helanius kippte zurück, aber vielleicht war auch er derjenige, der stürzte. Er schloss die Augen.
    Er atmete keuchend ein.
    Falls es überhaupt ein Atemzug war.
    Charikus lag auf dem Rücken, in seinem Kopf herrschte ein Durcheinander. Er konnte seinen Körper nicht mehr spüren, aber irgendwo nahm er noch etwas wahr. Ein Raunen, das durch ihn hindurchzugehen schien. Was für eine eigenartige Vorstellung. Stimmen konnte man nicht fühlen. Das war nicht möglich. Er konnte seine Gedanken nicht mehr steuern. Als hätte jemand eine Tür geschlossen, durch die er nicht mehr hineinkam.
    Erinnerungen erwachten. Pfeile. Pfeile aus der Nacht, die den Tod brachten. Den anderen, die bei ihm gewesen waren. Sie hatten auf ihren Posten gestanden und in die Dunkelheit geblickt. Der Sturz, das Blut. Charikus schloss die Augen. Er bemerkte es daran, dass das Licht schwand. Spüren konnte er nichts mehr.
    Dann bekam er Angst. Eine Angst, die sich immer weiter ausbreitete und seinen benommenen Geist überflutete. Gleich darauf empfand er wieder eine tiefe Ruhe. Wie eine Hand auf einer fiebrigen Stirn oder ein um die Schultern gelegter Arm. Die Erleichterung lief ihm wie eine Gänsehaut über den Rücken und erfüllte ihn von innen. Er öffnete die Augen wieder.
    Über sich sah Charikus die Sterne. Eine Wolke zog lautlos über den dunklen Himmel. Irgendein Licht hüllte ihn zärtlich ein. Ihm war warm, ein Kribbeln begann im Rücken, und dann kehrte das Gefühl in seine Fingerspitzen und seine Füße zurück. Er spürte sogar den Wind im Gesicht.
    Charikus öffnete den Mund und atmete seufzend aus. Er wollte noch tiefer atmen, aber das war nicht so dringend. Eine Heiterkeit durchflutete ihn. Endlich wusste er, wo er war. Er fühlte sich umarmt und gestützt, genau wie alle anderen. Denn er konnte auch die Gefährten spüren. Andere, die wie er eine tiefe Ruhe gefunden hatten und die Pracht genießen würden, bis der Augenblick gekommen war, in die Erde zurückzukehren.
    Steh auf.
    Charikus erhob sich. Das Kribbeln, oder eher eine Vibration, drang von den Füßen aus in seinen Körper ein, durchflutete ihn und erfüllte ihn. Ringsherum erhoben sich auch andere, deren Nähe er spürte, wie man es sonst nur unter Familienangehörigen kannte. Hier war er sicher. Er sah sich um, er kannte diesen Ort. Aus seinen Erinnerungen. Vor den Füßen

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