Die dunkle Armee
und Früchte bereitgestellt. Gesteris ließ sich gegenüber von D’Allinnius nieder, der seine begeisterten Erklärungen durch Zeichnungen untermauerte.
»Es gibt zwei Bestandteile. Aus den mitgeschickten Unterlagen konnten wir sofort entnehmen, dass wir ganz unterschiedliche Ergebnisse erzielen würden, wenn wir mit verschiedenen Mischungen experimentieren. Was Ihr gesehen habt, entsprach ungefähr einem Zehntel unseres Vorrats.«
»Ist das alles?«
D’Allinnius zog die Augenbrauen hoch. »Eine kleine Menge, die einen großen Knall erzeugt. Die Flamme entzündet einen der Bestandteile, den wir für eine Legierung aus Phosphor und Magnesium halten. Die Hitze löst eine Reaktion mit dem zweiten Bestandteil aus, den wir noch nicht genau bestimmt haben. So setzt eine spontane, heftige und vollständige Verbrennung ein, die den Behälter in Stücke reißt, und diese Stücke und die Energie der Ausdehnung zerfetzen das Ziel. In diesem Fall die Figur. Sie bestand übrigens aus Hartholz, aus Eiche.«
»Haben Euch die Dokumente keinen Aufschluss gegeben, worum es sich genau handelt?«, fragte Gesteris.
»In gewisser Weise schon. Wir suchen aber noch in den Bibliotheken nach Übersetzungen. Es scheint, als hätten die Sirraner in unserer Sprache keine Worte für einige Metalle und Erze gefunden.«
Gesteris nickte. »Das überrascht mich nicht. Versteht mich nicht falsch, aber wenn man eine Zündschnur anstecken muss, damit die Mischung explodiert, ist sie auf dem Schlachtfeld wohl nicht sonderlich brauchbar. Sicher gut, um Wände einzureißen, aber nicht in vorderster Front, würde ich sagen.«
»Ganz im Gegenteil. Wir haben bereits daran gearbeitet und eine Lösung gefunden. Durch Zufall, wie es so häufig geschieht. Lagalius hat aus gutem Grund keine Augenbrauen mehr. Eigentlich kann er sogar von Glück reden, dass er noch lebt. Wir haben heute Morgen entdeckt, dass auch ein harter Aufprall die Explosion auslösen kann. Es scheint, als reiche die innere Reibung für die Zündung aus.«
Gesteris strahlte beinahe. »Das bedeutet …«
»Ja, Senator. Stellt es Euch nur vor. Ein Behälter dieser Mischung in einem Netz voller Steine, mit einem Onager gegen Eure Feinde geschleudert.« D’Allinnius hatte die Hände zuerst dicht zusammengehalten, und jetzt, während er weiter erklärte, nahm er sie immer wieder auseinander. Der Schleim rasselte in seiner Luftröhre.
Gesteris war hellauf begeistert.
»Könnt Ihr dieses Zeug herstellen?«, fragte er.
»Ich würde darüber lieber mit meinen sirranischen Kollegen sprechen und ihnen die Informationen geben, die sie zweifellos als Gegenleistung bekommen wollen.«
»Dazu haben wir vielleicht nicht genug Zeit. Die Tsardonier sind schon unterwegs.«
»Das habe ich gehört. Selbstverständlich arbeiten wir Tag und Nacht daran, die beiden Bestandteile zu verstehen und ein Verfahren zur Herstellung zu entwickeln.«
Gesteris stand auf. »Gesegnet sollt Ihr sein, Orin. Möge der Allwissende bei jedem Atemzug auf Euch herablächeln.«
D’Allinnius’ Gesicht verfinsterte sich schlagartig. »Es gibt keinen Gott, nur blinden Glauben. Ich habe keine Zeit für den Glauben an den Allwissenden oder die Handlanger, die in seinem Namen Böses tun. Wenn Ihr echten Glauben wollt, betrachtet die jetzigen Bewohner des Kanzleramts. Dort liegt unsere Zukunft, nicht in den unversöhnlichen Schriften, die uns unterdrücken.«
»Wir können ein andermal über Theologie reden«, sagte Gesteris. »Aber ich will Euch versichern, dass unsere Zukunft nicht zuletzt in Euren fähigen Händen ruht. Löst dieses Rätsel und liefert uns die Waffe, und Euer Name wird für immer im Pantheon der konkordantischen Helden erstrahlen.«
D’Allinnius lächelte schief. »Sorgt nur dafür, dass meine Büste nach einem Jugendbildnis modelliert wird. Ich will nicht lange nach meinem Tod noch als Kinderschreck dienen müssen.«
22
859. Zyklus Gottes,
35. Tag des Genasauf
G ott nehme mich zu sich, aber ich hasse diese nächtlichen Wachen. Dunkelheit, Kälte und nicht einmal ein tsardonisches Lied, dem man mit Flüchen begegnen kann.«
Zenturio Charikus wandte sich zu Lissa Helanius um, die ein paar Schritte neben ihm auf dem Wehrgang stand. Sie neigte ohnehin schon zum Schimpfen, aber wenn sie die Nachtwache an der Grenze von Gosland übernehmen und auf die öden Ebenen von Tsard starren musste, erreichte ihre Laune einen Tiefpunkt. Er fragte sich, warum sie überhaupt in die Legion eingetreten war.
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