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Die dunkle Armee

Titel: Die dunkle Armee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Barclay
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Zenturio. »Jetzt ist alles wieder ruhig.«
    So war es. Adranis kam sich ein wenig albern vor. Er hatte versucht, sich möglichst unbefangen zu erkundigen, aber alle wussten, dass er hierher geeilt war, weil irgendetwas ihn nervös gemacht hatte. Sie hatten keine Ahnung warum, und er wusste es selbst nicht, aber die Soldaten würden natürlich schwatzen, und unweigerlich würde er zum Ziel einiger Scherze werden. Roberto sagte immer, ein Befehlshaber müsste die einfachen Soldaten auch seine menschliche Seite sehen lassen, aber so hatte er es vermutlich nicht gemeint.
    Ein Wind wehte über die Brücke und schlug ihm ins Gesicht. Fast, als hätte jemand ihn angepustet. Er runzelte die Stirn. Der Wind wehte doch eigentlich quer vor ihnen und flussabwärts.
    »Habt ihr …« ‚wollte er sagen.
    Die Luft beruhigte sich wieder. Dann hörte Adranis ein Grollen, das jenseits des Tors zu entstehen schien. Nach wenigen Augenblicken war das Grollen zu einem ohrenbetäubenden Brüllen angeschwollen, und direkt bevor die Fackeln und Feuer drüben auf dem befestigten Torhaus erloschen, konnte er noch beobachten, wie die Fenster und Fensterläden förmlich explodierten und tödliche Splitter nach unten zur Brücke schossen. Etwas, das wie eine dunkle Wolke aussah, strömte um das Tor herum und über die Brücke.
    »Gütiger Gott«, murmelte Adranis. »Runter, runter!«
    Er hatte keine Ahnung, ob die anderen es gehört hatten, aber er ging in Deckung und zog den Zenturio mit sich zu Boden. Die Wolke traf die Festung und das diesseitige Tor und fegte über den Balkon hinweg. Adranis presste sich die Hände auf die Ohren. Unter ihm bebte der Stein der Burg, und irgendetwas schlug gegen das Holz und den Marmor. Dann fiel etwas über seine Beine. Staub und kleine Steine regneten auf ihn herab, der Wind heulte, und schließlich bebte nicht nur der Balkon, sondern die ganze Festung. Er glaubte, in der Ferne Schreie zu hören, wagte es aber nicht, in diesem Inferno den Kopf zu heben.
    Der Orkan wollte und wollte nicht enden, der Staub wallte immer dichter, bis Adranis zu husten begann. Schließlich musste er doch den Kopf heben, um nicht zu ersticken. Sein Gesicht war von den fliegenden Teilchen wund gescheuert, obwohl er in Deckung lag. Seine Hände, die er gerade eben erkennen konnte, waren mit Staub bedeckt. Die Laternen und das Feuer auf dem Balkon waren längst erloschen, hinter der dichten Wolke schimmerte fahl der Mond.
    Dann ließ der Wind wieder nach, und einen Augenblick lang fielen Sand und Dreck wie Regen.
    Nun ertönten andere Geräusche. Alarmrufe, Befehle und Schmerzensschreie. In der Nähe stöhnte jemand. Adranis richtete sich auf, das Gewicht rutschte von seinen Beinen herunter. Benommen schüttelte er den Kopf, um den Dreck und den Sand loszuwerden. Er musste sich beeilen, denn zweifellos würden die Tsardonier den Sandsturm, falls es einer gewesen war, zu ihrem Vorteil nutzen. Der Wind hatte bitter und faulig gerochen.
    »Ein Schritt nach dem anderen«, wiederholte er für sich, was Roberto immer gesagt hatte. »Bleibe ruhig, schätze zuerst die Lage in deiner Umgebung ein.«
    Der Zenturio bewegte sich, anscheinend war er nicht verletzt. Adranis drehte sich um und hätte beinahe vor Schreck gekeucht. Die Last auf seinen Beinen war einer der Legionäre gewesen. Niemand außer Gott konnte dem Mann jetzt noch helfen. Sein Gesicht war verschwunden, einfach abgeschürft. Die Augen waren voller Blut, an den Kiefern, auf der Nase und der Stirn war der Knochen freigelegt. Die beiden anderen Legionäre krümmten sich offenbar unter Schmerzen.
    »Zenturio?«
    »Ich bin unverletzt, Herr. Was war das?«
    »Das lass mal meine Sorge sein. Kümmere dich um deine Männer, soweit du ihnen noch helfen kannst.«
    Adranis stand mit rasendem Herzen auf und spähte über die Brüstung des Balkons. Er hatte einmal gelesen, dass die Asche bei einem Vulkanausbruch alles bedecken konnte, und so sah es hier aus. Vor dem Tor hatte sich der Staub aufgetürmt, auf der Brücke lagen Tote. Soldaten, die keine Warnung bekommen und keine Möglichkeit gefunden hatten, sich in Sicherheit zu bringen.
    Rasch sah er sich um. Die Türme und Geschützplattformen auf dem Torhaus waren dunkle, bedrohliche Umrisse. Er glaubte, eine Bewegung zu erkennen, war aber seiner Sache nicht sicher. Wie er aus den Schreien und Rufen schließen konnte, gab es Überlebende. Irgendwo rief jemand die Leute energisch zur Ordnung. Rechts über ihm zündete jemand eine Laterne

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