Die dunkle Armee
Winkel des Landes verbrannt werdet, nur weil ihr ein falsches Wort gesagt habt.«
Arducius spreizte die Finger. »Was sonst könnten wir tun? Dies ist die einzige Möglichkeit, die Menschen mit uns vertraut zu machen. Und sieh nur, wie viele wir aus ihrer selbst auferlegten Unterdrückung befreit haben. Hunderte von Menschen, die sich für Missgeburten hielten und in Angst vor dem Orden lebten, können jetzt zuversichtlich und bei Tageslicht auf die Straße gehen.«
»Das ist aber eine sehr naive Vorstellung, Ardu«, widersprach Mirron. »Vielleicht können sie das hier auf dem Hügel tun, aber es gibt selbst in Estorr noch Viertel, in denen sie sich ohne Begleitschutz nicht blicken lassen dürfen, und dies ist immerhin die Hauptstadt. Es spielt keine Rolle, was die Advokatin sagt und was sie beschließt. Im besten Falle begegnen uns die Menschen mit Vorsicht. Draußen in der Wildnis hassen uns die meisten. Der Orden ist und bleibt eine Macht, und ganz egal, was wir tun, wir sind der Stachel im Fleisch des Ordens.«
»Das ändert nichts«, wehrte Arducius ab. »Wir müssen unsere Botschaft unter die Leute bringen, genau wie es der Orden vor Jahrhunderten getan hat. Das ist mit Gefahren verbunden, aber wenn wir es nicht jetzt tun, können die folgenden Generationen keine Fortschritte erzielen. Gibt es denn eine andere Möglichkeit?«
Mirron schüttelte den Kopf. »Vielleicht nicht. Seid nur vorsichtig und provoziert die Kanzlerin nicht. Streite nicht ab, dass du gerade das sehr gern tust. Ich habe dich dabei gesehen.«
Arducius lachte und küsste sie auf die Wange. »Komm schon, wir mischen uns unters Volk. Entspann dich doch mal. Du machst dir zu viele Sorgen.«
»Aus gutem Grund.« Sie nahm den Weinkelch an, den Arducius ihr von einem Tablett geholt hatte, und trank. »Glaube nicht, es sei mir unmöglich, den wahren Grund dafür herauszufinden, weshalb ihr heute hier aufgetaucht seid.«
»Das wird dir sicher gelingen«, gab Arducius zu, und seine gute Laune verflog für einen Augenblick. »Aber das muss noch eine Weile warten.«
Darauf nickte Mirron, wandte sich wieder zu ihrem Sohn und Hesther um und bemühte sich sehr, nicht weiter darüber nachzudenken.
Roberto Del Aglios, der älteste Sohn der Advokatin und der erste Botschafter der Konkordanz in der unzugänglichen Nation von Sirrane, fühlte sich belebt und weitaus jünger, als es seinen achtundvierzig Jahren entsprochen hätte. Jahreszeit auf Jahreszeit und Jahr auf Jahr hatten die schwierigen, heiklen und frustrierenden Verhandlungen gedauert, bis er endlich ein von der sirranischen Regierung unterzeichnetes Dokument in Händen halten konnte.
Es handelte sich keineswegs um ein vollständiges Bündnis, der Vertrag besiegelte aber immerhin die Übereinkunft, die Beziehungen zu verbessern, technische Entwicklungen auszutauschen und mit einer breiten Auswahl von Gebrauchsgütern Handel zu treiben, was vielen Gebieten der Konkordanz zum Vorteil gereichen würde. Noch wichtiger war, dass es außerdem eine Absprache gab, einander über Tsard im Süden, Omari im Westen und das riesige Wüstenkönigreich Garrath im Norden von Sirrane auf dem Laufenden zu halten. Die einst Blinden hatten jetzt überall Augen.
Roberto wartete, bis sie den Sirrankjor, den Regierungssitz dieses außerordentlichen Landes, verlassen hatten, ehe er sich gestattete, Gesteris zu umarmen. Die beiden Männer klopften sich gegenseitig auf den Rücken.
»Das wird die Konkordanz wieder groß machen«, sagte Roberto, als er sich aus der Umarmung löste. »Wenn ich mir vorstelle, was dies für Gosland und Dornos bedeutet …«
»Es stärkt die Regentschaft deiner Mutter in jedem Winkel der Konkordanz.«
Roberto betrachtete seinen Begleiter. Senator Marcus Gesteris, der Held der Konkordanz. Der Mann, der an der Grenze von Neratharn die Tsardonier in Schach gehalten hatte, bis Roberto ihm im 848. Zyklus in der entscheidenden Schlacht gegen Tsard zu Hilfe kommen konnte. Ein großer Soldat und ein kluger Diplomat. Es gab nur wenige, die den einäugigen General mit der auffälligen Narbe auf der rechten Gesichtshälfte nicht kannten und achteten. Bei kaltem Wetter flammte die Narbe manchmal rot auf, und die Augenhöhle war ständig gereizt.
»Ich kann dir nicht genug danken. So lange hast du deine Familie nicht gesehen.«
»Es ist mir eine Ehre und Freude, der Konkordanz zu dienen«, erwiderte Gesteris. »Aber es gibt noch mehr zu tun. Unsere Spione melden, dass Tsard sich erneut
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