Die dunkle Armee
der Advokatin auf dem Hügel verhätschelt.«
»Mein König …«
»Ich rede jetzt.« Khuran wandte sich wieder an Gorian. »Und mich unterbricht man nicht.«
Kessians Herz schlug schneller. Das hier war ganz anders als die Wut der Advokatin. Er konnte die in einem gefährlichen Dunkelrot pulsierenden Energien des Königs beobachten. Bei Gorian sah er das Gleiche, doch dessen Energien flackerten, weil er sich mühsam beherrschte. Der König dagegen kannte keine Zurückhaltung.
»Als du meine Stadt Khuran verlassen hast, sagtest du mir, du wolltest Hilfe holen. Dummerweise nahm ich an, es gehe um deine aufgestiegenen Brüder. Doch du hast mir einen Zehnjährigen gebracht, der kreischt und kotzt, wenn er Blut sieht. Wie soll er mir helfen, den Krieg zu gewinnen und die Konkordanz zu erobern? Ich habe mein Vertrauen in dich gesetzt, Gorian Westfallen. Ich sehe nicht, dass du es rechtfertigst. Nun sprich.«
»Ihr urteilt vorschnell. Das Alter sagt nichts über die Fähigkeiten, und mein Sohn besitzt größere Kräfte als alle anderen Aufgestiegenen zusammen. Er ist der Einzige, der liefern kann, was ich versprochen habe. Hier bin ich der Fachmann, nicht Ihr.«
»Ich bin der König von Tsard, und du tust, was ich befehle.«
»Euer Erfolg liegt in meiner Hand.«
»Glaubst du, das weiß ich nicht?«, fauchte Khuran. »Herr der Steine, ich warne dich, Westfallen. Ich habe die kümmerlichen Reste meiner Armee mobilisiert, weil ich an das glaubte, was du erreichen kannst. Wenn du mich in Verlegenheit bringst oder mich auch nur geringfügig enttäuschst, dann werden du und dein kleiner Balg für die Kannibalen an den toursanischen Seen auf Pfähle gesteckt, und weder deine Toten noch deine Magie werden dich retten.«
Khuran beugte sich über Kessian und fasste sein Gesicht mit einer Hand. Kessian bekam große Angst und hielt seine Blase und den Darm mit aller Kraft fest.
»Ich stoße keine leeren Drohungen aus. Enttäuscht mich, und ihr werdet bei lebendigem Leibe gefressen.«
»Lasst ihn los«, sagte Gorian.
Khuran ließ Kessian los und richtete sich auf. »Stelle ihn deinen Freunden vor. Sorge dafür, dass er versteht, was von ihm erwartet wird. Er muss begreifen, was er tun muss, wenn ihr überleben wollt. Geht jetzt.«
Gorian legte Kessian einen Arm um die Schultern und führte ihn zu den Toten. Als sie weit genug entfernt waren, wandte er sich an den Jungen.
»Ich bin stolz auf dich, Kessian. Du warst sehr tapfer. Lass dir von ihm keine Angst einjagen.«
»Ich will nicht lebendig gegessen werden.« Kessian hatte eine Gänsehaut.
»Kein Pfahl kann mich halten, kein Heer kann mich besiegen. Bleibe bei mir, und du wirst immer sicher sein. Khuran ist ein guter König, aber er ist auch überheblich. Er regiert schon viel zu lange und ist selbstgefällig geworden. Wir werden tun, was er sagt, und uns vorerst vor ihm verbeugen, aber vergiss nicht, dass alles, was nützlich ist, irgendwann nicht mehr gebraucht wird. Komm schon. Die Herren der Toten wollen dich kennen lernen.«
14
859. Zyklus Gottes,
24. Tag des Genasauf
J hered musste kein Aufgestiegener sein, um die Stimmung in Yllin-Qyist zu erfassen. Jahre vorher, als er mit allen vier jungen Aufgestiegenen auf der Flucht gewesen war, hatte er hier echte Freude, altes Wissen und unschuldige Neugierde vorgefunden. Jetzt schlugen ihm offenes Misstrauen und eine kalte Schwermut aus dem schönen Bergdorf entgegen, als er und seine Leute die Tunnel verließen. Sie liefen hinunter zu den Wiesen am Fluss und dem Ackerland, wo verstreut die Steinhäuser standen.
Viele junge Einwohner hatten keine Ahnung, wen sie sahen, aber diejenigen, die sich erinnern konnten, wussten, was die Ankunft der Besucher zu bedeuten hatte. Jetzt wurden die schlimmsten Ängste aus den alten Überlieferungen der Karku wahr. Es bestand kein Zweifel, dass Jhered mit seinen zweihundert Gefolgsleuten entgegen ihrer sonst üblichen Vorsicht durch die Tunnel geführt worden war. Die Zurückhaltung der Einwohner entging dem Schatzkanzler keineswegs.
Er wies seine Leute an, im kalten Sonnenlicht in der Nähe des Tunnelausgangs zu warten, während er mit Harkov und Mirron unter den Blicken aller Männer, Frauen und Kinder ins Zentrum des Dorfs weiterging.
Harban wusste bereits, dass sie kamen. Vorbei an Bauern, Hirten und Bergleuten, die ihre schrecklich unzulänglichen Waffen schärften, wurden sie zur großen Halle geführt. Das Gebäude war beinahe so, wie Jhered es in Erinnerung
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