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Die dunkle Armee

Titel: Die dunkle Armee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Barclay
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hatte – eingerahmt von Tempeln, in denen heiße Quellen entsprangen. Von dem zentralen Kamin stieg Rauch auf. Aus der Nähe konnte er jedoch erkennen, dass die strahlenden Wandbilder, die Berge, Schnee und Sonne gezeigt hatten, übermalt worden waren. Jetzt waren dort Bilder von der Zerstörung Karks voller Dunkelheit und fallender Steine zu sehen. Eines zeigte einen Berg, dessen Gipfel zerschmettert war. Mirron schauderte, als sie die warme Halle betrat.
    »Sie haben sich mit ihrem Schicksal abgefunden«, sagte sie. »Sie erwarten es, und deshalb wird es geschehen. Was kann man tun, wenn jemand so etwas glaubt?«
    »Wir haben uns keineswegs mit unserem Schicksal abgefunden«, erwiderte Harban, der jenseits des Feuers auf einer leeren Bank saß. »Aber die Vorzeichen erstarren auf unseren Mauern immer zu einem Bild, ob sie nun gut oder schlecht sind. Kommt näher.«
    Die drei folgten der Einladung. Jhered war froh, den harten, kalten Blicken der Einwohner zu entkommen. Harban erwartete sie allein. Während er sprach, kam er langsam um das tosende Feuer herum.
    »Ist es nicht ein seltsames Schicksal, Schatzkanzler Jhered? Einst hielten wir euch für eine Invasionstruppe, die entsprechend zu behandeln war, und nun werdet ihr zu unserem Herzen geführt, weil ihr unsere einzige Hoffnung verkörpert, am Ende doch noch zu überleben.«
    Es sah einem Karku überhaupt nicht ähnlich, auf die rituelle Begrüßung zu verzichten, aber Jhered war nicht überrascht.
    »Wie schlimm steht es?«, fragte er.
    »Nichts kann sich ihnen in den Weg stellen«, erwiderte Harban. »Wir sind nicht fähig, einen solchen Feind abzuwehren. Ihnen hält niemand stand. Sie werden in zwei Tagen in Inthen-Gor sein.«
    »In zwei Tagen?«, entfuhr es Harkov. »Vom Hidroschtal aus müssen es mindestens zweihundert Meilen sein, falls sie dort eingedrungen sind. Wir sind durch die Tunnel gekommen, aber sie müssen Klippen und Eis überwinden. Wie können sie so schnell sein? Das ist unmöglich.«
    Harban betrachtete ihn einen Augenblick, musterte die Rüstung und den Gladius und den makellosen Helm mit dem roten Federbusch der Garde des Aufstiegs, den er sich unter den Arm geklemmt hatte.
    »Du bist ein Soldat und kennst die Schlacht. Wenn du zu Paul Jhered gehörst, dann weißt du sogar sehr viel darüber, daran zweifle ich nicht. Allerdings verstehst du unseren Feind nicht. Die Tsardonier können wir besiegen, aber nicht die Toten.«
    Harkov zeigte sich uneinsichtig. »Was ich sagte, kann sich doch jedes Kind ausrechnen.«
    »Nein, das ist nicht wahr«, fauchte Harban. »Hier gelten deine Regeln nicht. Diese Soldaten müssen nicht rasten. Sie essen nicht und schlafen nicht. Sie tun nur, was ihr Herr ihnen befiehlt, und er weiß, wohin sie marschieren und was sie nehmen müssen. Wie ist dein Name? Ich kenne dich nicht.«
    »Harkov. General der Garde des Aufstiegs.«
    »Ich bin Harban-Qyist. Du bist ein Freund der Aufgestiegenen und ein Freund Jhereds und genießt meine Achtung. Aber du kannst diesen Feind nicht nach den Feinden beurteilen, auf die du bisher gestoßen bist. Du musst sie sehen, um es zu verstehen.«
    »Dann lass es uns tun. Zeige sie mir.«
    »Tapferkeit ist leicht, solange dein Feind nur aus Worten und gestaltlosen Ängsten besteht.«
    Jhered hob eine Hand, um Harkov von einer scharfen Antwort abzuhalten.
    »Schon gut, General.« Auch er beruhigte sich, während er sprach. »Die Karku sagen immer, was sie denken. Selten ist es eine persönliche Beleidigung, und in diesem Fall hat er natürlich recht.«
    »Dennoch müssen wir sie sehen«, schaltete sich Mirron ein, die bis jetzt geschwiegen hatte. »Wir müssen uns ihnen stellen. Schließlich bin ich deshalb hier, oder? Um sie aufzuhalten. Ich soll sie aufhalten.«
    Das Feuer toste. Die Männer schwiegen.
     
    Marcus Gesteris’ Gefolge zog durch das Siegestor und hielt vor dem großen Springbrunnen mit den Reiterstandbildern, die in alle vier Himmelsrichtungen wiesen, mit viel Getöse an.
    Herine beobachtete sie von der obersten Stufe der Basilika aus. Sie hatte einen schlechten Geschmack im Mund und war beunruhigt. Niemand hatte sein Kommen angekündigt – eine gute Neuigkeit, die vermutlich bald schon von schlechten überschattet werden würde.
    »Führt ihn sofort zu mir und räumt den Saal. Dies ist eine Privataudienz«, befahl sie einem Adjutanten.
    »Meine Advokatin.«
    Als Henne sich umdrehte, waren hinter ihr schon Fingerschnippen und scharfe Befehle zu hören. Wächter nahmen

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