Die dunkle Armee
Haltung an, und als sie den unbequemen Thron erreichte, auf dem sie die Gesuche ihrer Bürger anhörte, war die geräumige Basilika so gut wie geräumt. Sie setzte sich und sah den grollenden Bürgern und den überheblichen Würdenträgern des Ordens des Allwissenden nach. Es war eine Schande. Sie hatte eine lange Liste mit Beschwerden über das Verhalten des Ordens und die Übertretungen der Aufgestiegenen zu bearbeiten. Arducius und Felice hatten eingewilligt, an der Sitzung teilzunehmen. Nun ja, ein andermal …
Herine hätte die Besprechung mit Gesteris auch in ihre Privatgemächer verlegen können, um sich später wieder den Alltagsgeschäften zu widmen, aber es konnte nicht schaden, den Leuten immer wieder einmal zu zeigen, wer das Sagen hatte.
»Setzt Euch, Senator Gesteris«, sagte Herine, als sich der einäugige Held der Konkordanz, müde von der Reise, ihrem Thron näherte. »Der Sprecher der Erde hat Euch den Platz gewärmt. Zweifellos ist schon einer meiner Adjutanten unterwegs, um Euch etwas zu essen zu besorgen.«
Gesteris trat vor das Podium und schlug sich die rechte Faust vor die Brust.
»Mein Arm und mein Herz gehören Euch, meine Advokatin«, sagte er.
Der Staub klebte noch an seinen Stiefeln und auf dem Mantel, doch seine Prunkrüstung war frisch poliert und spiegelte das Licht, das durch die Säulen in die Basilika fiel.
»Ich muss mich für meinen Aufzug entschuldigen«, fuhr er fort. »Ich hatte nach unserer Ankunft noch nicht die Gelegenheit, mich umzukleiden.«
»Im Gegenteil, es steht Euch gut«, erwiderte Herine lächelnd. »Ich glaube, wir können auf Förmlichkeiten verzichten. Setzt Euch, Marcus.«
Gesteris nahm Platz und blies die Wangen auf. »Danke, Herine. Die Reise ist gut verlaufen, war aber langwierig, obwohl wir schnell gereist sind.«
»Wie geht es meinem Sohn?«
»Er ist brillant und zielstrebig wie immer. Er wird eines Tages einen guten Advokaten abgeben.«
»Hoffentlich hat er dann auch noch eine Konkordanz zu regieren, die diesen Namen verdient. Ich fürchte, Ihr bringt nicht nur gute Neuigkeiten mit. Die schlechten Nachrichten sind Euch vorausgeeilt. Berichtet mir das Schlimmste zuerst.«
»Hätte Roberto nicht seine diplomatischen Fähigkeiten eingesetzt …«
»Und Ihr Eure Erfahrung im Umgang mit Zahlen.«
Gesteris nickte höflich. »… dann wüssten wir nicht einmal das, was wir jetzt wissen. Die Sirraner haben uns auf eine tsardonische Truppe aufmerksam gemacht. Sie zieht an der Südgrenze von Sirrane geradewegs nach Westen und will offenbar nach Gosland.«
»Ist sie groß genug, um uns gefährlich zu werden?« Das Blut rauschte so heftig in Herines Kopf, dass sie ihre eigenen Worte kaum verstehen konnte.
»Roberto will herausfinden, was sie beabsichtigen, und wird sich so bald wie möglich melden. Er wird Gosland vor einer drohenden Invasion warnen.«
»Das ist eigentlich keine Antwort auf meine Frage, Marcus.«
»Nein«, gab Gesteris zu. »Aber mehr habe ich nicht anzubieten. Die Sirraner wollten die Größe der Streitmacht nicht genau beziffern, waren aber sicher, dass die Bedrohung groß genug war, um uns zu warnen. Sie wissen, wie schwach unsere Grenzverteidigung ist.«
»Aber eine einzige Invasionstruppe reicht noch nicht aus, um ein ganzes Land einzunehmen. Ihr habt mir sicher noch nicht alles gesagt.«
Gesteris zuckte mit den Achseln. »Ich weiß nichts Genaues und habe nicht auf verbindliche Zahlenangaben gewartet. Roberto wird die Informationen so schnell wie möglich nachliefern. Allerdings waren wir beide besorgt, als wir das Verhalten der Sirraner sahen. Wir kennen sie seit vielen Zyklen besser als jeder andere und wissen genau, dass sie keine Eile oder Sorge zeigen, solange es nicht ausgesprochen gefährlich wird. Sie haben sich wegen der tsardonischen Armee zweifellos große Sorgen gemacht.
Aus diesem Grund bittet Roberto die Konkordanz, ihre Truppen zu mobilisieren. Deshalb wird er auch das Kommando über die Verteidigung in Gosland übernehmen, und aus diesem Grund habe ich Chemikalien für Orin und Rovan mitgebracht. Sie sind für eine Waffe gedacht. Für eine sehr mächtige sogar.«
Herine räusperte sich nervös. »Aufgrund bloßer Mutmaßungen und eines vagen Verständnisses für die sirranische Gefühlswelt kann ich nicht die ganze Konkordanz mobilisieren. Der Senat wird dem niemals zustimmen. Das wisst Ihr doch, Marcus. Was könnt Ihr mir sonst noch sagen?«
Kichernd zog Gesteris einen Brief aus der Manteltasche.
»Wenn
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