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Die dunkle Armee

Titel: Die dunkle Armee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Barclay
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es eines gibt, das Euer Sohn besser kennt als alles andere, dann seid Ihr es, Herine. Er sagte Eure Reaktion voraus und meinte, aus Eurer Sicht wäre das auch ganz richtig so.«
    »Trotzdem habt Ihr mich auf die Probe gestellt«, erwiderte Herine scharf.
    Gesteris errötete. »Ich will Euch nicht prüfen oder Eure Zeit verschwenden, meine Advokatin, ich wollte nur meinen Standpunkt verdeutlichen. Wir wissen wenig über diese tsardonische Streitmacht, aber was wir wissen, unterstreicht, wie wichtig es war, dass wir uns so viele Jahre bemüht haben, ein Bündnis mit Sirrane zu schließen. Vielleicht gibt es gar keine Bedrohung. Aber eine Mobilmachung, selbst eine beschränkte, wird als politische und diplomatische Geste ein wichtiges Signal nach Sirrane senden und unseren Bürgern verdeutlichen, dass unsere Verbündeten uns tatsächlich helfen können.«
    »Das verstehe ich gut«, stimmte Herine zu. »Allerdings bleibt noch ein Problem. Warum ist mein Sohn derart besorgt, dass er glaubt, er müsse die Verteidigung von Gosland den durchaus fähigen Soldaten dort aus der Hand nehmen? Warum ist er so besorgt, dass er Euch mit unerforschtem Pulver für meine Wissenschaftler zurückschickt? Warum? Er ist jetzt Botschafter der Konkordanz und hat seit einem Jahrzehnt kein Schwert mehr geführt.«
    »Doch er trägt es immer bei sich. Er hat alle Andenken an seine früheren Feldzüge bei sich.«
    Gesteris bot ihr den Brief an, doch Herine wehrte mit einer Geste ab und lehnte sich auf dem Stuhl zurück, auf dem es ihr schwer fiel, eine bequeme Sitzposition zu finden.
    »Lest ihn mir vor. Ich muss nachdenken.«
    »Selbstverständlich.« Gesteris nickte und erbrach das Siegel, um das Blatt zu entfalten, das mit dem Wasserzeichen der Del Aglios versehen war. Herine erkannte Robertos unordentliche Handschrift sofort. »Meine liebe Mutter, wenn ich recht behalte, sind die Worte des armen Marcus bei dir auf Unverständnis gestoßen. Marcus, ich weiß, dass Ihr dies lesen werdet. Was immer meine Mutter sagt, sie war noch nie fähig, meine Handschrift zu entziffern, und das macht sie nervös …«
    Herine platzte laut heraus und klatschte in die Hände. Gesteris stimmte in ihr Lachen ein, und endlich ließ die Anspannung nach, unter der sie, ohne es selbst zu bemerken, gestanden hatte. Sie drohte mit dem Zeigefinger.
    »Eines Tages wird er sich selbst hereinlegen. Ich hoffe nur, dass ich das noch erleben kann.«
    »Soll ich fortfahren?«
    »Bitte.«
    »Ich will nicht die Theorien hinter meinen Überzeugungen darlegen, ich will auch nicht die Tatsachen zu etwas verdrehen und verbiegen, das sie nicht hergeben. Ich will mich nur auf dein Vertrauen in mich und meine Gefühle als Sohn, als Mann und als Soldat berufen. Jahrelang habe ich gegen die Tsardonier gekämpft. Ich habe ihre Taktik und Motive studiert, so gut ich konnte. Sie neigen nicht dazu, irgendetwas nur um der Wirkung willen zu tun. Wenn sie nach Gosland marschieren, dann gibt es dafür nur einen einzigen Grund. Wenn die Sirraner obendrein glauben, dass eine Invasionsarmee unterwegs ist, dann glaube ich das auch. Außerdem dürften sie, wenn sie gegen Gosland vorrücken, das Gleiche auch weiter im Süden tun. Es entspricht ihrer Taktik, mehrere Fronten zugleich zu eröffnen. Vergiss nicht, was vor einem Jahrzehnt im Krieg geschehen ist. Sie sind schnell, entschlossen und wild. Sie bringen sich nicht in Gefahr, wenn sie nicht überzeugt sind, dass sie siegen können. Beim letzten Mal hatten wir Glück. Darauf dürfen wir uns dieses Mal nicht verlassen. Wir müssen rasch handeln. Ich dränge dich, Mutter, mobilisiere die Truppen. Mache die Legionen bereit. Verlege sie in die Stellungen, die wir nach dem Krieg umrissen haben. Und blicke auch nach Süden. Blicke nach Atreska und Gestern. Wenn du zu lange zögerst, könnten wir untergehen. Dein Sohn Roberto.«
    Gesteris schaute auf. Wieder bot er ihr den Brief an, und dieses Mal nahm Herine ihn entgegen und starrte lange und angestrengt auf die Worte. Roberto mochte klug sein und alles vorhergesehen haben, was sich in der Basilika abgespielt hatte, aber mit einer solchen Mitteilung hatte sie nicht gerechnet. Sie hatte sich auf Zahlen, Marschgeschwindigkeiten und einen Zeitplan vorbereitet. Sie hatte eine nüchterne Einschätzung erwartet, aber nicht dies hier. Dieses leidenschaftliche Flehen.
    Herine leckte sich die Lippen und schluckte den Kloß herunter, der sich in ihrem Hals gebildet hatte. Sie sah ihn vor sich, wie er den Brief

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