Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die dunkle Armee

Titel: Die dunkle Armee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Barclay
Vom Netzwerk:
ein einziges steinernes Gebäude, das sehr alt wirkte. Im Gegensatz zu den Häusern im Dorf war es nicht bemalt. Als sie es näher betrachtete, erkannte sie jedoch, dass es mit Inschriften bedeckt war. Kein Stückchen Stein war frei von den Schriftzeichen, die sie für Karku hielt, auch wenn sie ihr wie sinnloses Gekritzel vorkamen.
    Alle fühlten sich von dem Gebäude angezogen. Es war ungefähr fünfmal mannshoch, unten sehr breit und mindestens hundert Schritte lang. Es war eine aus fünf Stufen bestehende Pyramide, die oben mit einem Steinblock abschloss, auf dem eine helle gelbe Flamme brannte. Auch drinnen flackerte Licht, und irgendjemand murmelte leise.
    »Nicht näher«, warnte Harban sie. »Das ist verboten.«
    »Was ist es?«, wollte Mirron wissen.
    »Der Übergang vom Kind zur Reife«, erwiderte Harban.
    »Was meinst du damit?« Jhered betrachtete die mit Inschriften bedeckten Wände.
    Harban wechselte einige Worte mit den Karku, die das Gebäude anscheinend bewachten oder verwalteten. Sie trugen einfache graue Hosen und Hemden, darüber Pelzwesten, die mit Leder zusammengebunden waren. Alle hatten sich die Köpfe und Füße rasiert und die Gesichter dunkelgrau geschminkt, sodass sie wie Stein aussahen. Mirron dachte, dass sie frieren müssten, weil es in der Höhle keine Wärmequelle gab. Das Wasser war eiskalt, und ständig wehte ein kühler Wind.
    Schließlich winkte Harban sie zu sich und führte sie ein Stück in Richtung der Boote. Er lächelte.
    »Wie es scheint, seid ihr höchst gesegnet. Noch mehr, als ich anzunehmen wagte, nachdem es euch bereits erlaubt wurde, hierherzukommen.«
    »Warum?«, fragte Harkov.
    »Es wurde mir gestattet, euch den Zweck dieses Orts und die Zeremonie zu erklären, die ihr hören, aber nicht sehen dürft.« Sein Gesichtsausdruck veränderte sich, seine Augen blitzten. »Ich werde euch außerdem erklären, was Gorian hier wegnehmen will. Jeder Karku muss sich auf diese Reise begeben, wenn er erwachsen wird und in den Stamm aufgenommen werden will.«
    »Also kommt jeder Karku hierher?« Mirron sah sich um. »Das muss seltsam sein.«
    »Eigentlich nicht«, erwiderte Harban. »Schon die kleinen Kinder werden darauf vorbereitet. Es gibt so viel, was sie in so wenigen Jahren lernen müssen. Dies kommt noch zu dem Wissen hinzu, das sie brauchen, um in unserem gefährlichen Land zu überleben. Viel zu viele, die nicht zuhören, werden nie mehr wieder gefunden.«
    Harban hielt einen Augenblick inne und machte eine so traurige Miene, dass Mirron die Tränen in die Augen schossen. Anscheinend war er persönlich betroffen.
    »Was ist denn? Was ist los?«, fragte sie.
    »Egal. Das ist eine Geschichte für einen anderen Tag. Vielleicht.«
    »Erzähle uns von der Reise«, sagte Harkov. »Wo beginnt sie?«
    Harban nickte dankbar.
    »Im Heimatdorf der betreffenden Kinder. Wenn sie bereit sind, wenn sie unter den Herren von Himmel und Licht dreizehn Jahre alt geworden sind, dann müssen sie in den Berg gehen und zum ersten Mal die Dunkelheit kennen lernen.«
    »Oder wie in unserem Fall über die Stromschnellen fahren«, warf Mirron ein.
    »Oh nein. Sie gehen allein in den Berg und werden von ihm zum Ewigen Wasser geführt. Nur von dort, wo es ausschließlich trockene Wege gibt, dürfen sie zu Fuß hierherkommen, und auch diese Wege sind spärlich und gefährlich, wie euer Volk bestätigen kann.«
    Mirron blickte zum Wasserfall und schnitt eine Grimasse. »Das können sie doch nicht machen, Harban. Ich will natürlich niemandem zu nahe treten, aber das würde sie doch umbringen, oder?«
    Harban lächelte. »Für dich muss es natürlich einem Verbrechen gleichkommen, wenn man sie zwingt, durch die Dunkelheit zu schwimmen oder durch die Gänge zu laufen. Aber es ist möglich, und ein einzelnes Kind kann sich an Felsvorsprüngen festhalten, die fünf in einem Boot nicht einmal sehen. Wir sind eins mit dem Berg. Wir sind geboren, ihn zu verstehen, und dafür sorgt er für uns. Er gibt uns nicht nur Erze, sondern auch die Mittel, um zu überleben.«
    »Aber es werden doch sicher einige verletzt«, wandte Jhered ein.
    Harban nickte und machte wieder eine bekümmerte Miene. »Wenn einer nicht bereit oder unwürdig ist, nimmt der Berg ihn zu sich. Aber versuchen müssen sie es.«
    »Ein Übergangsritus«, sagte Mirron. »So etwas kennen wir nicht.«
    Harban zuckte mit den Achseln. »Ihr seid keine Karku. Wenn sie hier ankommen, gehen sie zum Schrein und sprechen die Inschriften von Inthen-Gor.«

Weitere Kostenlose Bücher