Die dunkle Armee
aus und starrte nach draußen.
»Ich werde tun, was ich kann.«
»Gut, dann haben wir auch kein Problem.« Hesther drückte ihm einen Kuss auf die Wange. »Das war ein Kompliment, Ardu.«
»Oh, danke. Vielen Dank.«
Er glättete seine Toga und ging hinaus, um mit seinem Bruder zu sprechen. Ossacer war ganz in der Nähe. Sein Klassenraum war nur drei Türen entfernt. Das ehemalige prächtige Büro des Sprechers der Erde barg ein paar wundervolle gemeißelte Abbildungen der Insel Kester und der Drachenzahnberge in Easthale.
Ossacer befand sich allein im Klassenzimmer, nachdem die Schüler gerade gegangen waren. Arducius spürte nach der Lektion noch ihre Energie in der Luft und konnte sie in der Nähe aufgeregt schwatzen hören. Sie waren alle sehr gut. Erst siebzehn und noch nicht richtig ausgebildet, aber sie besaßen großes Potenzial. Arducius betete jeden Tag, dass der Krieg nicht kommen würde, war aber keineswegs sicher, dass der Allwissende überhaupt zuhörte.
»Hallo Ardu«, sagte Ossacer, ohne aufzuschauen.
Er fuhr mit den Händen über die Gravuren auf den Steintafeln.
»War es eine gute Lektion, Ossie?«
»Anscheinend hat es ihnen gefallen. Besonders Cygalius. Ich denke, er hat eine große Zukunft vor sich.«
»Falls er überhaupt seinen achtzehnten Geburtstag erlebt«, wandte Arducius ein.
Ossacer achtete nicht darauf. »Diese Schnitzereien sind hervorragend. So viele Farben in den Oberflächen und Konturen. Einen Moment lang konnte ich meinen, dass ich nicht blind bin. Nur einen kleinen Moment lang.«
Arducius lächelte. »Dann müssen wir unbedingt den Künstler finden, damit er ein paar Dinge für uns anfertigt.«
»Lieber nicht. Das Loslassen ist so schon schwer genug.« Ossacer nahm die Hand vom Stein. »Und dann bleiben mir nur noch die Erinnerungen und die gewalttätige, chaotische Welt der Energiebahnen.«
»Was macht dich so nachdenklich?«
»Nun, entweder heische ich Mitgefühl für meine unglückliche Lage, oder ich versuche, mit allen Mitteln dem Thema auszuweichen, über das du mit mir sprechen willst.«
»Ach so«, sagte Arducius unsicher. Auch hierfür hatte Ossacer ein untrügliches Gespür.
»Ich wollte Hesther nicht ärgern. Das war nie meine Absicht.«
»Irgendwie ist es dir dennoch gelungen.«
»Man muss auch kein Genie sein, um zu wissen, wohin sie als Nächstes gehen würde.«
»Das ist klar. Ihr Gesicht war übrigens stark gerötet, und sie war ganz außer sich. Warum hast du das gemacht?«
Ossacer ging quer durchs Klassenzimmer und setzte sich auf einen von einem Dutzend hochlehnigen Stühlen, die auf dem Marmorboden verteilt waren.
»Weil anscheinend niemand versteht, dass wir eingesetzt werden wie Nutzvieh. Ausgebildet für einen bestimmten Zweck, um im Getriebe des Krieges mitzuwirken. Ohne einen Gedanken an die Zukunft. Deshalb habe ich den Erwachten gesagt, sie sollten ihre Fähigkeiten dahingehend entwickeln, dass sie heilen und Dinge wachsen lassen können. Wenn es zum Krieg kommen sollte, muss jeder mitwirken, und wir sind offensichtlich am besten in der Lage, dafür zu sorgen, dass Männer, Frauen, Tiere und Feldfrüchte lebendig bleiben und Nahrung und Wasser bekommen. Ich will nicht, dass Blut an ihren Händen klebt, wie wir es hinnehmen mussten. Das werden wir nie mehr abschütteln können.«
Arducius nagte einen Augenblick an der Unterlippe, ehe er sich neben Ossacer setzte.
»Ich weiß nicht, was ich sagen soll, Ossie.«
»Du könntest mir zustimmen.« Ossacer lächelte und zwinkerte.
»Ganz so einfach ist das nicht.« Arducius rutschte unbehaglich hin und her. »Wir können es uns nicht erlauben, uns die Advokatin zur Feindin zu machen. Nie, und jetzt erst recht nicht.«
»Willst du denn wirklich unsere Aufgestiegenen zu Mördern ausbilden, nur damit sie weiter lächelt?«
»Gott umfange mich, wie oft haben wir darüber schon gesprochen?«
»Offenbar nicht oft genug.« Ossacers Lächeln war nur noch eine ferne Erinnerung. Er stand unter Anspannung, was Arducius nicht zuletzt an den chaotischen Farbwechseln seiner Lebenslinien erkennen konnte. »Niemand sieht, was hier wirklich geschieht.«
»Wir alle wissen ganz genau, was hier vor sich geht«, erwiderte Arducius. »Aber einer von uns weigert sich, es zu akzeptieren.«
»Und ob ich mich weigere.« Ossacers Stimme klang ein wenig schrill.
»Das Problem ist, dass du dich für unberührbar hältst. Du glaubst, du könntest mit Herine umspringen, wie du willst, weil du ein Aufgestiegener
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