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Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Amanda

Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Amanda

Titel: Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Amanda Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bianka Minte-König
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versprach ihm, das Geld per Avis aus Berlin zu schicken. Da konnte er lange warten, dachte ich hämisch.
    Wir nahmen den Nachtzug und hingen während der Fahrt unseren eigenen Gedanken nach. Bei Großvater, Friedrich und mir galten sie natürlich Estelle.
    Wir hatten sie von Utz zurückholen wollen, und in dieser Hinsicht war unsere Mission gescheitert, was uns alle nun, nachdem wir endlich zur Ruhe kamen, sehr traurig machte.
    Auch fragte ich mich, was das Schicksal nun wohl mit mir vorhatte, denn Eleonores Fluch war nicht erfüllt. Immer noch lebte mit Utz einer aus dem Geschlecht der Grafen von Przytulek und ausgerechnet der könnte mein Erzeuger sein. Mir wurde regelrecht übel, als ich an diese Möglichkeit dachte, und eine böse Ahnung, dass mir von ihm nach wie vor Unheil drohte, beschlich mich. So war ich froh, als Conrad aus dem Schlaf erwachte und auf seine Verletzung zu sprechen kam.
    »Was ist Amanda für ein Wunderwesen«, meinte er lächelnd über seinen Oberschenkel streichend, »dass sie derartige Verletzungen in so kurzer Zeit heilen kann?« Er zog das Hosenbein so weit hoch, dass sein völlig verheilter Oberschenkel zu sehen war. Selbst die große Narbe war schon fast verblasst.
    Friedrich lachte ebenfalls. »Gutes Heilfleisch, Conrad, und ein paar Hausmittelchen.« Er zwinkerte mir zu.
    »Hausmittelchen? Die hätte ich gerne. Wenn ich in Berlin eine Praxis aufmache und damit die Leute ebenfalls so schnell kuriere, bin ich ein gemachter Mann …« Er stockte einen Moment und sagte dann, wobei er mir frech in die Augen schaute: »… und kann Amanda einen Heiratsantrag machen.«
    Ich hatte so etwas ja schon länger kommen sehen, aber heute hatte ich zum ersten Mal das Gefühl, dass dieserGedanke auch von meiner Seite mindestens eine Überlegung wert sein könnte. Natürlich soll man sich nach einem lustvollen Beischlaf nicht gleich in eine Ehe stürzen, und außerdem wollte ich zurück in Berlin endlich mal auf eigenen Füßen stehen, mich in der Frauenbewegung engagieren und vielleicht sogar einen Beruf ausüben … Heiraten? Nein! Ich schob den Gedanken rasch beiseite.
    »Da verlass dich lieber auf deine eigene Profession, Conrad. Verrückte gibt es in Berlin genug, die du auf die Couch legen kannst.«
    Conrad lachte. »Das besprechen wir, wenn wir wieder in Berlin sind. Aber ich schließe aus deiner Antwort, dass du der Idee einer Heirat nähertreten könntest, wenn ich dir ein auskömmliches Leben biete.«
    »Das hast du gesagt, nicht ich«, wies ich ihn jedoch erneut ab. »Auch wenn der Großvater für mich natürlich eine gute Partie wünscht, so geben doch bei mir andere Dinge den Ausschlag …«
    Er öffnete den Mund, aber ich fuhr ihm gleich darüber.
    »Nein, man darf nicht fragen, welche!«
    Und um ihn nicht völlig zu verprellen, fügte ich kichernd hinzu, indem ich meine Zunge verführerisch über die Lippen lecken ließ: »Wenn Ihr’s nicht fühlt, so werdet Ihr es auch nicht erahnen!«
    Conrad strahlte wie ein Weihnachtsbaum, als er sagte: »Die Antwort, wertes Fräulein, genügt.« Männer sind doch manchmal wirklich sehr simpel gestrickt.
    »Und«, fragte Friedrich später indiskret, als er im Gang eine Zigarette rauchte und ich mich zu ihm gesellte, »wie war er so?«
    Diese Direktheit machte mich nun doch ein wenig verlegen, denn er war schließlich mein Onkel. Aber da er michso offen ansah, nahm ich ihm ab, dass sein Interesse nicht auf voyeuristischen Motiven beruhte.
    »Ich habe ihn immer für einen recht trockenen Theoretiker gehalten«, antwortete ich also lachend. »Das war wohl ein Fehler!«
    Friedrich warf die ausgerauchte Zigarette aus dem Fenster, zog mich kurz in seine Arme und drückte mir einen Kuss auf die Wange. Dann flüsterte er mir ins Ohr: »Werde glücklich, Amanda!«
     
    A
ber ich misstraute dem, was die Menschen Glück nannten.
    Die Chronik der Vanderborgs hatte mich gelehrt, dass man ihm wie meine Mutter Estelle oft ein Leben lang nachjagte und es dennoch niemals einfing. Und hatte man es am Zipfel, so riss es sich bald wieder los und die Hetze ging von Neuem los. Es war ein vielarmiger Krake, man konnte einen Arm packen, aber niemals das ganze Tier. Und hackte man einen Arm ab, um wenigstens eines Stückchens von ihm habhaft zu werden, so verdorrte er bald und man erinnerte sich mit Wehmut der Kraft und Schönheit, die in ihm gewohnt hatte, als er noch zum Körper des Kraken gehört hatte. So ist es auch mit dem Glück, man kann es nur ganz oder gar nicht

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