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Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Amanda

Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Amanda

Titel: Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Amanda Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bianka Minte-König
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haben. Es ist nicht teil- und stückelbar … jedenfalls nicht, wenn man Vanderborg heißt. Und es lässt auch nicht mit sich handeln. So fragte ich mich, ob die kurze glückliche Zeit meiner Mutter mit Amadeus, die zudem vom ständigen Schatten des Verbotenen verdüstert war, wirklich ein ganzes Leben voller Versagung, Schmerz und Tragik aufwiegen konnte? Gaukelte uns das Schicksal mit dem Glück nicht nur ein Ideal vor, mit dessen Unerreichbarkeit es uns verhöhnte? War das Glück als Verheißungnur dazu geschaffen worden, damit der Mensch unter dem Unglück umso mehr litt? Damit er sah, was er hätte haben können und was ihm, einmal verloren, ewig fehlen würde? Ich scheute mich davor, glücklich zu sein, und es schmerzte mich, zu sehen, wie vorbehaltlos Conrad jedes Beisammensein genoss, zu immer höheren Wonnen trieb und vor Stolz über seine Männlichkeit fast zerbarst.
    Als ich ihn darauf ansprach, tat er meine Zweifel jedoch ziemlich leicht ab, indem er meinte: »Heirate mich, Amanda, dann bin ich auch vor dem Gesetz immer dein und nichts kann uns mehr trennen. Du wirst sehen, dass dann auch dein Vertrauen wächst – in das Glück und das Leben allgemein.«
    Ach, Conrad, dachte ich, wenn das so einfach wäre!
    Er wusste ja nicht, dass neben dem, was der Psychoanalyse zugänglich war, eine geheimnisvolle mystische Kraft meine Triebe auf das Brutalste und Verwerflichste steuerte. Und bei aller Liebe, die er für mich hegte, war es mir nach wie vor unmöglich, ihm zu gestehen, dass ich eine Vampirin war.
    Er hingegen vertraute auf Sigmund Freud und freute sich, dass wir nach der Reise in die Karpaten mehr Klarheit über meine Lebensgeschichte gewonnen hatten und darum nun endlich mit einer Therapie beginnen konnten. Wobei er dazu anmerkte:
    »Es ist wirklich ein Wunder, Amanda, dass du die Traumata deiner Kindheit und noch dazu die Schockbehandlung in der Klinik so relativ unversehrt an Leib und Seele überstanden hast. Bei deiner mentalen Stärke wirst du gewiss bald deine bedrückende Vergangenheit verarbeitet haben und anfangen können, deine Zukunft zu gestalten. So wie du sie dir erträumst.«
    Ich lächelte. »Und was ist mit dir?«
    »Wie mit mir?«
    »Hast du keine Albträume nach dem, was wir auf Burg Przytulek erlebt haben?«
    Er kratzte sich am Kopf, eine seiner typischen Verlegenheitsgesten. »Ich kann es mir, ehrlich gesagt, bis heute nicht erklären.«
    »Aber du erinnerst dich, nicht wahr, und du weißt, dass die Burg verflucht ist … meine Mutter …«
    Er fiel mir ins Wort. »Amanda, ich glaube, wir alle waren in einem gewissen seelischen und geistigen Ausnahmezustand. Vieles haben wir uns gewiss nur eingebildet … wir sollten es auf keinen Fall überbewerten. Obwohl der Tod deiner Mutter natürlich ein schreckliches Unglück war – wichtig ist allein, dass du mit ihr deinen Frieden gemacht hast.«
    Nun, wenn er das so sah, konnte ich die Sache auch abschließen – jedenfalls erst einmal.
    Also sagte ich: »Ich bin auch froh darüber und fühle mich viel besser seitdem, freier, sicherer und selbstbewusster. Und wieder einmal hast du ganz wesentlich dazu beigetragen.«
    Ich sah ihn einen Augenblick nachdenklich an. »Weißt du eigentlich, dass du das Beste bist, was mir in meinem Leben passiert ist, Conrad? Ohne dich wäre ich längst verloren gewesen.«
    Er winkte bescheiden ab. »Es wird schon noch eine Reihe von Schutzfaktoren in deinem Leben gegeben haben«, meinte er, »die haben dafür gesorgt, dass du nicht wirklich den Verstand über dein Schicksal verloren hast. Ich bin, wenn überhaupt, nur einer davon.«
    »Aber ein ganz wichtiger«, sagte ich und stimmte ihm im Übrigen rückhaltlos und dankbar zu.
     
    Mein Vorteil war zum Beispiel, dass ich einigermaßen gebildet war, weil ich einen Hauslehrer gehabt hatte, der mir sehr zugetan war und meine rasche Auffassungsgabe bewunderte und mich förderte, wo er nur konnte. Auch hatte meine Mutter in mir die Liebe zum Lesen geweckt, und ich verschlang alles an Büchern, dessen ich habhaft werden konnte. Amadeus und Onkel Friedrich hatten mich immer sehr in meinem Lerneifer bestärkt, und Großvater Vanderborg hatte mich auf seinen Knien reiten lassen und mir schon im zartesten Alter Geschichten vorgelesen und mir wunderbare Bilder gezeigt, die meine Fantasie beflügelten.
     
    Nun fiel mir das alles wieder ein und ich gewann dadurch ein weiteres Stück Erkenntnis über mich selber zurück und fühlte, dass ich allmählich stark genug war,

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