Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Amanda
Kommentaren zur Gästeauswahl zurück. So durften wir ein buntes Völkchen erwarten, über Hansmanns unverzichtbare Geschäftsfreunde vom Großen Pilati bis zu halbseidenen Diseusen aus dem Milieu und natürlich Friedrichs Pazifisten. Eine Mischung, die einiges an Amüsement, aber auch Spannung versprach. Ganz wohl war mir dabei nicht, aber Friedrich wollte unbedingt den steifen Rahmen in der Luxusvilla mit echten Menschen auflockern.
»Du schläfst ein, wenn du Hansmann die Gästeauswahl alleine überlässt. Er und seine Marionetten aus der Industrie und den Ämtern!«
Und Lenz bestärkte mich ebenfalls.
»Genauso muss es sein, Amanda. Ich möchte bei unserer Hochzeit unbedingt alle unsere Freunde dabeihaben.« Er zwinkerte mir zu. »Und natürlich meinen Chef ! Sein Wohlwollen ist mir wichtig.«
Mir nicht weniger, und so wurde auch Professor Müller-Wagner eingeladen. Was sich jedoch als keine so gute Idee erwies …
Zunächst versprach es, ein wunderschöner Abend zu werden. Der Standesbeamte war in die Villa gekommen, um dort die Vermählung vorzunehmen. Das kam mir sehr entgegen, weil ich nach wie vor das Tageslicht meiden musste. Conrad hatte Hansmann diese Notwendigkeit erklärt und so hatte der die Kosten dafür auch noch übernommen.
Das Essen war, wie uns die Gäste bestätigten, vorzüglich, und als mit dem Eröffnungswalzer von Conrad und mir der gemütliche Teil des Abends begann und die Salonkapelle sehr beschwingt aufspielte, erwies sich die Auswahl unserer Gäste als ein wirklicher Glücksgriff.
Die anwesenden Künstler schenkten uns viele humorvolleEinlagen zwischen den Tänzen und es wurde überall im Foyer gelacht, getrunken und angeregt geplaudert.
Klara war meine Trauzeugin, und obwohl sie ja vom Institut der Ehe gar nichts hielt, gab sie nun zu, dass ich mit Conrad wohl den Richtigen erwischt hätte.
»Aber tu mir einen Gefallen, werde nicht zu einem Hausmütterchen, bleib der Bewegung treu!«
Das konnte ich ihr aus vollem Herzen zusagen, worauf sie mich in den Arm nahm, mich küsste, mir zuprostete und sagte: »Schwestern für immer!« Ich nickte und war glücklich, dass ich nicht nur einen Ehemann, sondern auch eine so gute Freundin gefunden hatte.
Im späteren Verlauf des Abends gerieten dann Friedrich und Hansmann aneinander, weil Friedrich ihn zu Professor Müller-Wagner schleppte, damit dieser ihm persönlich sagte, dass es keinen Grund gebe, meine Entmündigung noch länger aufrechtzuerhalten. Hansmann weigerte sich aufgrund seines reichlichen Alkoholgenusses etwas sehr heftig, über dieses Thema zu reden, worauf Friedrich die Geduld verlor und ihn einen Erbschleicher nannte. Das ärgerte Hansmann im Beisein einiger Geschäftsfreunde so sehr, dass er gegen Friedrich tätlich wurde. Der sah das Recht auf seiner Seite und schlug nicht zimperlich zurück. Hansmann traf seine linke Faust direkt ins Gesicht, das Nasenbein zersplitterte und Blut lief auf das feine Frackhemd. Friedrich und ich starrten uns entsetzt an, aber nicht weil wir Hansmann bedauerten, sondern weil jedem von uns die Kieferknochen knackten …
»Raus hier«, zischte Friedrich und griff nach meiner Hand. Das hätte uns noch gefehlt, dass wir uns hier vor der versammelten Berliner Gesellschaft als Vampire enttarnen.
Doch noch bevor wir die Flucht ergreifen konnten, stürzte sich Vanderborg ins Getümmel, um seine Söhne zur Vernunft zu bringen. Er war fleckig rot im Gesicht und hocherregt, und ehe er überhaupt einen Satz sagen konnte, brach er mit einem Herzschlag zusammen und starb noch im Festsaal.
Ich warf mich schreiend über ihn und versuchte alles, um ihn wiederzubeleben, und obwohl noch nicht alle Gäste sofort mitbekommen hatten, was geschehen war, verbreitete sich die traurige Nachricht doch bald wie ein Lauffeuer.
Das war es dann also mit dem Glück, dachte ich verzweifelt, denn wie sollte ich jemals glücklich an meinen Hochzeitstag zurückdenken, wenn ich zugleich immer an den tragischen Tod meines geliebten Großvaters erinnert wurde?
Ich kniete vollkommen aufgelöst in Schmerz und Trauer neben ihm und hielt seinen Kopf in meinem Schoß. Seine Augen waren noch aufgerissen, so wie sie entsetzt dem Tod ins Antlitz geschaut hatten. Conrad kam vom anderen Ende des Foyers angehetzt und kniete sich zu mir, erkannte aber sofort, dass seine ärztlichen Bemühungen zu spät kamen, und schloss ihm mit einer sanften Geste die Lider. Nun sah er viel friedlicher aus. Friedrich trat zu uns und ich stand
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