Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Amanda
Und falls ich Ihnen einen Tipp geben darf, wenn Sie Fräulein Amanda ehelichen, kann die Vormundschaft sofort von ihrem Onkel auf Sie als ihren Ehemann übergehen, sodass Sie durchaus schon einmal handlungsfähig sind. Sie wissen, seine Rechte zu verlieren, ist leicht, sie zurückzuerlangen, wesentlich schwerer. Das erlebe ich immer wieder.«
Das war in der Sache nun endlich mal eine hilfreiche und sehr ermutigende Aussage. Müller-Wagner versprach das Gutachten sehr bald zu erstellen, und als wir uns verabschiedeten, waren wir ihm beide sehr dankbar. Ich hätte nie gedacht, dass sich zu ihm jemals ein normales, geschweige denn ein fast schon freundschaftliches Verhältnis entwickeln würde.
Aber die Mühlen der Behörden mahlten langsam, und damit unser Kind ehelich geboren wurde, beschlossen Conrad und ich schließlich, Onkel Hansmann um seine förmliche Zustimmung zu bitten, damit wir das Aufgebot bestellen konnten.
»Ich werde darüber noch irre!«, stöhnte ich, als uns der Beamte bei der Bestellung des Aufgebotes darauf hinwies.
»Ihre Verlobte verfügt leider nicht über die bürgerlichen Ehrenrechte, weshalb ihr Vormund für sie den Antrag unterschreiben muss …«
Wenigsten sah Gertrud ein, dass die Sache allmählich nicht nur ärgerlich, sondern auch reichlich lächerlich war, sodass sie Hansmann bewegen konnte, die Formalitäten sehr schnell und ohne Umstände zu erledigen. Offensichtlich war sie auch persönlich froh darüber, dass ich nun doch den Herrn Dr. Lenz heiraten würde, den sie ja schon immer so wunderbar passend für mich gefunden hatte.
Die Ehe wurde am 11. November 1924 geschlossen. Gefeiert wurde mit einem kleinen Empfang in der Villa von Utz, da Gertrud es sich nicht nehmen ließ, diesen auszurichten. Vermutlich hatte es sie einige Überredungskunst gekostet, Hansmann dazu zu bewegen. Mir wäre auch der kleinere Rahmen in der Brüderstraße genehm gewesen, aber Vanderborg scheute den Aufwand, da er seit der Fahrt in die Karpaten immer wieder mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen hatte und sich die Organisation eines solchen Festes nicht mehr zutraute. Auch waren seine finanziellen Reserven wieder einmal nahezu aufgebraucht. Da Friedrich meinte, dass Hansmann ohnehin von meinem Geld lebte und es darum nur gerecht wäre, wenn er für die Kosten der Festlichkeiten aufkäme, stimmte ich schließlich entgegen meiner Überzeugung zu. An mir sollte es nicht liegen, wenn dadurch der Familienfrieden hergestellt wurde.
Dennoch hatte ich kein so gutes Gefühl dabei, aber letztlich auch keine Wahl, da es immer noch traditionell Sache der Brautfamilie war, die Hochzeit auszurichten.
So saß denn Tante Gertrud des Öfteren bei mir in der Brüderstraße, um meine diesbezüglichen Wünsche zu erfragen, und ich merkte ihr die Erleichterung an, mich endlich unter der Haube zu wissen. Besonders da ich ja auch noch guter Hoffnung war und sie schon fürchten musste, dass ein uneheliches Kind in der Verwandtschaft der Reputation ihrer Familie und Hansmanns Geschäften Schaden zufügen könnte. Natürlich hoffte sie außerdem, dass ich als ordentliche Ehefrau und Mutter meine anrüchige Betätigung als Kabarettistin und Diseuse und natürlich als Gewerkschaftsaktivistin aufgeben würde. Aber da konnte sie lange warten. Die Arbeit mit Kale Kalsen und Klara fand ich absolut wichtig für mich und meine Selbstverwirklichung als Frau, und damit ich diese Überzeugung an andere Frauen weitergeben konnte, wollte ich mich natürlich auch mit Mann und Kind weiter engagieren.
Es war ja wirklich rührend, wie viele Gedanken sich Tante Gertrud über die Speisen und Getränke, die Tischdekoration und die Musik machte. Mir war das alles wirklich herzlich gleichgültig. Lediglich im Interesse unserer Gäste und Conrad und dem Großvater zuliebe beteiligte ich mich daran, obwohl ich es für ziemliche Zeitverschwendung hielt. Viel lieber hätte ich mit meinen politischen Freundinnen eine Veranstaltung besucht oder bei einer Agitation für das Selbstbestimmungsrecht und die Gleichstellung der Frau mitgemacht. Aber da musste ich nun halt durch.
»So fügt sich doch nun alles wunderbar«, meinte Tante Gertrud wenige Tage vor der Hochzeit zufrieden mit sich und der Welt. Wir hatten noch einmal die Gästeliste mit den Zusagen abgeglichen, und obwohl Gertrud bei einigen der in ihren Augen nicht gesellschaftsfähigen Künstler und politischen Freunde die Augenbrauen hochzog, hielt siesich mit weiteren negativen
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