Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Amanda
Überall.
Friedrich ist mir eine große Hilfe im Kampf um Blankensee.
Hansmann hat sich das Gut unberechtigt angeeignet, indem er mich entmündigen ließ. Aber ich werde meine bürgerlichen Rechte zurückfordern, das Haus wieder öffnen, neue Pferde anschaffen und das Gut führen, wie meine Mutter Estelle es tat. Ich bin es ihrem Andenken schuldig.
»Größeres wolltest auch du, aber die Liebe zwingt
All uns nieder, das Leid beugt gewaltiger,
Doch es kehret umsonst nicht
Unser Bogen, woher er kommt.«
Ich bin zurück!
Amanda
M
it dem Hölderlinzitat, das mir vor einiger Zeit in die Hände gefallen war, als ich am Sekretär meiner Mutter arbeitete, beendete ich meine erste Eintragung in die Familienchronik. Lange hatte ich damit gezögert. Zwar hatte ich das Buch viele Male aufgeschlagen und darin gelesen, aber solange Estelles Schicksal ungeklärt war, hätte ich nie gewagt hineinzuschreiben. Auch jetzt hätte ich lieber Friedrich die Rolle des Chronisten zugeschoben, aber er hatte strikt abgelehnt.
»Estelle hat das Buch begonnen. Du als ihre Tochter bist ihre einzige legitime Nachfolgerin und wirst es in der nächsten Generation fortsetzen. Sie hätte es nicht anders gewollt.«
Doch erst jetzt, wo ich das Kind in mir heranwachsen fühlte, wusste ich, dass ich diesen Auftrag annehmen musste.
So hoffte ich nun von ganzem Herzen, dass meine Nachkommen ein glücklicheres Leben führen würden als die Generationen vor ihnen.
Ich löschte die Tinte mit dem silbernen Löscher ab und schloss das Buch. Sanft strich ich mit der Hand über den hellen, weichen Ledereinband, dann verschloss ich es sorgfältig in seinem Versteck und legte mich zu Conrad. Ich betrachtete ihn eine Weile und küsste ihn dann sacht. Er erwachte, zog mich an sich und wir liebten uns noch einmal mit sanfter Zärtlichkeit und in aller Behutsamkeit, um dem werdenden Leben in mir keinen Schaden zuzufügen. Beide betrachteten wir es als einen kostbaren Schatz, ein Unterpfand unserer Liebe, das wir beschützen und pflegen mussten.
Aber bis unser Kind das Licht der Welt erblickte, gab es noch viel zu tun. Nein, nicht nur Babywäsche zu häkeln,sondern vor allem die Besitzverhältnisse von Blankensee zu klären und für die Eheschließung meine Entmündigung rückgängig zu machen. Denn geheiratet werden sollte noch vor der Ankunft unseres Kindes, da eine uneheliche Geburt nach wie vor mit einem gesellschaftlichen Makel behaftet war.
Seit der Rückkehr aus den Karpaten versuchte Friedrich mit Hansmann eine gütliche Einigung und hatte schließlich auch beim Magistrat vorgesprochen, als sich diese partout nicht abzeichnen wollte. Aber dort verlangte man ein psychiatrisches Gutachten, das mir meine volle geistige Gesundheit bescheinigte. Erst dann war man bereit, die Entmündigung aufzuheben.
Also musste ich noch einmal in die Anstalt zurückkehren und mich von Professor Müller-Wagner, der einzigen Kapazität, welche das Amt zu akzeptieren bereit war, begutachten lassen. Mir war ganz übel bei dem Gedanken, denn ich dachte nicht nur an die qualvolle Elektroschockbehandlung und die trostlose Einsamkeit, in der ich dort erstarrt war, sondern auch an das im Garten vergrabene Pflegerpärchen, dessen Blut mir den Weg zurück ins Leben geebnet hatte.
So erfand ich immer wieder Ausreden, um mich der Überprüfung meines Geisteszustands durch Professor Müller-Wagner zu entziehen. Nun aber, wo ich wusste, dass ich das Kind von Conrad in mir trug, gab es kein Zurück mehr. Ich musste auch um seinetwillen kämpfen.
Es war dann einfacher als gedacht.
Professor Müller-Wagner untersuchte mich eingehend und war hocherfreut, mich schwanger zu sehen, denn er meinte, dass nicht selten eine Schwangerschaft den normalen Geisteszustand bei einer Patientin wiederherstellte.
»Ja, ja, Herr Kollege«, sagte er zu Conrad, »das ist ihnen sicher zu unwissenschaftlich. Stimmt aber. Dennoch, wenn es sie freut, will ich gerne der Methode des Dr. Sigmund Freud, mit der sie die Patientin therapiert haben, auch einen gewissen Anteil an ihrer Gesundung zugestehen. Meines Erachtens ist sie wieder im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte und es besteht kein Grund, die Entmündigung aufrechtzuerhalten. Sie kann sehr gut Entscheidungen für sich selber treffen.«
»Werden Sie das in einem Gutachten festhalten?«, fragte Conrad und konnte wohl das freundliche Entgegenkommen gar nicht fassen.
»Das werde ich, natürlich werde ich das, mein lieber Kollege.
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