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Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Amanda

Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Amanda

Titel: Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Amanda Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bianka Minte-König
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Rosenbaums, dass er von einem Tag auf den anderen verschwunden sei, nachdem ihn jemand bei der Gestapo verpfiffen hatte.
    »Wir denken, er hat sich nach Prag abgesetzt …«
     
    Ich versuchte über die Rosenbaums natürlich außerhalb von Hansmanns Einflussbereich Kontakt zu Lysander zu bekommen, und ich hatte tatsächlich das Glück, ihn bei einem meiner Besuche bei Aaron anzutreffen, als dieser ihm in Mathematik nachhalf. Taktvoll ließ er uns beide allein.
    »Und du möchtest immer noch nicht mit nach Blankensee kommen?«, fragte ich ihn. Er war ziemlich wortkarg und ich merkte ihm an, dass er mir gerne eine Freude gemacht hätte, aber doch lieber in Berlin bleiben wollte.
    »Immer noch wegen der Hitlerjugend?«
    Er zuckte mit den Schultern. »Im nächsten Winter bin ich vierzehn.«
    »Aber du weißt, dass mir die ganze Richtung nicht gefällt.Dich da mitmarschieren zu sehen ist für mich … unvorstellbar!« Das hätte ich nicht sagen sollen, denn nun begehrte er wieder auf. Das Toben und Heulen hatte man ihm aber offenbar im Jungvolk erfolgreich aberzogen. Jedenfalls stand er in der Argumentation erstaunlich tapfer seinen Mann.
    »Und warum?«, fragte er und sah mir dabei fest in die Augen »Unvorstellbar ist es, wenn ich fast als Einziger aus meiner Klasse nicht in die Hitlerjugend gehe!«
    »Du übertreibst. Es werden doch gewiss nicht alle in diese Organisation eintreten …«
    »Doch, werden sie, und wer nicht eintritt, der tut es deswegen nicht, weil er nicht würdig ist … weil man ihn ohnehin nicht aufnehmen würde …«
    »Nicht würdig? Wer ist nicht würdig?«
    Er zuckte unwillig mit der Schulter. »Na ja, Behinderte, Kommunisten, Sozis und …«, er sah sich um, ob wir noch allein waren, »… Juden …«
    »Also geht Aaron nicht dahin? Ich denke, er ist dein Freund!«
    »Das heißt ja nicht, dass man alles zusammen machen muss … also, er wäre schon ganz gerne mitgegangen, schon wegen der Fahrten und Zeltlager und weil er den Führer auch gut findet … aber es geht nun mal nicht …«
    »Und weswegen nicht?«
    Er druckste herum. »Ich weiß nicht so genau … Alfred meint, wegen der Rassengesetze … also weil das eine deutsche Jugendorganisation ist … da gehören die Juden nicht rein … die sind eben fremdrassig … das sagt auch Onkel Hansmann …«
    Mir war klar, dass jede Argumentation meinerseits immer noch zwecklos war, und als ich Berlin auch diesmalwieder ohne Lysander verließ, weinte ich um ihn wie um einen verlorenen Sohn.
     
    Ich berichtete Conrad von dem Gespräch, und als er mich fragte, ob ich mit Lysander über den Bankeinbruch gesprochen hätte, konnte ich nur den Kopf schütteln.
    »Das fragst du doch nicht im Ernst? Er würde sofort zu Hansmann rennen und ihn warnen. Lysander bewundert ihn und würde niemals etwas tun, was ihm schaden könnte. Vergiss diese absurde Idee und rechne vor allem nicht mit ihm.«
    »Dann werden wir uns eben in Geduld üben, aber wir werden Lysander niemals aufgeben!«
     
    E
s waren dann zwei Ereignisse, die Lysander schließlich doch zum Nachdenken brachten und ein paar seiner Illusionen über die Nationalsozialisten zerstörten.
    Das erste war die Reichskristallnacht vom 9. auf den 10. November 1938, in der marodierende Horden der SA und der Hitlerjugend jüdische Geschäfte demolierten und die Synagoge in Brand steckten. Auch vor der Musikalienhandlung der Rosenbaums machten sie nicht halt, und als Aaron sich ihnen, von seinem Vater vergeblich zurückgehalten, in den Weg stellen wollte, schlugen sie ihn so zusammen, dass er zwei Wochen nicht in die Schule gehen konnte. Lysander besuchte ihn, und der Anblick des total zerstörten Geschäftes war für ihn kaum zu ertragen. Dennoch versuchte er seine aufkommenden Zweifel am rechtmäßigen Handeln von Hansmanns Parteigenossen zu unterdrücken und Hitler und die NSDAP in Schutz zu nehmen, indem er uns einredete, dass die ganze Aktion ein großer Irrtum gewesen sei, den der Führer schon noch korrigieren würde.
    »Ihr werdet sehen, alles klärt sich auf und die Rosenbaums bekommen eine Entschädigung. Man darf nicht vergessen, dass andere Juden das deutsche Volk seit Jahrhunderten verbrecherisch ausgesaugt haben! Denen galt die Aktion …«
    »Und an Aaron denkst du gar nicht?«, fragte ich. »Und was ist mit seinen Eltern? Es sind freundliche Menschen, die niemandem etwas zuleide tun!«
    Er senkte den Kopf, als er das Wort vom Kollateralschaden in den Mund nahm, den man bei so etwas leider in

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