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Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Amanda

Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Amanda

Titel: Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Amanda Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bianka Minte-König
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Kauf nehmen müsste. Es klang angelernt und wurde entsprechend emotionslos runtergeleiert.
    »Das ist doch nicht wirklich deine Meinung«, sagte ich leise.
    Er stand auf und in seinen Augen glitzerte das Wasser. »Es trifft halt mal die Falschen«, sagte er mit kaum hörbarer Stimme, und ich nutzte seine Weichheit sofort aus.
    »Das heißt, auch der Führer ist nur ein Mensch und auch die Partei macht Fehler. Versprich mir, darüber wenigstens einmal nachzudenken.«
    Er drehte sich weg.
    »Ich muss jetzt gehen«, sagte ich. »Gib mir die Hand drauf.«
    Er zögerte, dann streckte er mir langsam seine Rechte hin. Ich drückte sie kurz und fest. Am liebsten hätte ich sie nie wieder losgelassen. Aber ich wusste, dass ich ihn jetzt freigeben musste, wenn ich ihn jemals zurückhaben wollte.
    Und als ich wieder nach Blankensee fuhr, hoffte ich inständig, dass er durch solche Erlebnisse doch noch zur Vernunft kommen würde.
     
    Das zweite Ereignis, das Lysanders Einstellung zu seinen nationalsozialistischen Freunden noch grundlegender veränderte, fand wenige Tage vor Weihnachten im Dezember des Jahres 1938 statt.
    Ich hatte einmal wieder mit Friedrich und Klara Quartier in der Brüderstraße genommen, um mit ihnen ein paar gut im Saft stehende Nazis zu jagen. Klara wollte außerdem Freunde treffen, denen sie falsche Papiere besorgt hatte. Wir gingen daher sehr vorsichtig vor und vermieden jeden Anschein, dass die Wohnung bewohnt sei.
    Berlin hatte sich sehr verändert. Überall ragten Monumentalbauten auf und Heldendenkmäler, und Unter den Linden reihte sich ein Fahnenmast an den anderen und es herrschte laute Geschäftigkeit. Abends allerdings schien sich Berlin in eine Geisterstadt zu verwandeln. Ausgangssperren, Versammlungsverbote, Schließungen von Kabaretts und anderen Kleinkunstbühnen wegen Volksverhetzung erstickten nach und nach das kulturelle Leben. Nur was dem völkischen Geist der neuen Machthaber in Deutschland entsprach, wurde gefördert.
    Ich besuchte Lysander in der Villa. Es fiel mir schwer, aber ich wollte ihm zu seinem vierzehnten Geburtstag wenigsten gratulieren und ein kleines Geschenk geben. Allerdings konnte ich nicht gegen Hansmann an, der ihm tatsächlich eine komplette Uniform für die Hitlerjugend geschenkt hatte. Mit Koppel und Käppi. Mir blutete das Herz, ihn darin stolz umherlaufen zu sehen. Seine dünnen Beine in der kurzen Hose … Er war doch noch viel zu klein für eine solche fast militärische Organisation.
    »Aber er will es doch so sehr«, sagte Brünhilde, als ich verzagt einen Einwand formulierte. »Schau, wie stolz Alfred ist!«
    Brünhildes Vater war inzwischen groß in das Geschäft mit der Wehrmacht eingestiegen und baute Instrumente für Hitlers Luftwaffe. Es gab kaum noch eine Parade, wo damit nicht Stärke demonstriert wurde. Stukas brausten in beeindruckender Zahl in waghalsigen Formationsflügen über den Himmel von Berlin und die Köpfe der Schaulustigen hinweg, und bei ihren Übungsflügen waren sie auch von Blankensee aus zu beobachten. Wilhelm hatte sich als Bomberpilot bei der Legion Condor im Spanischen Bürgerkrieg hervorgetan und war sicher, dass das Flugzeug die nächsten Kriege entscheiden würde. »Deutschland wird siegen, überall, es hat die Lufthoheit in Europa!« Ich war erschüttert, wie selbstverständlich er von einem neuen Krieg sprach. Aber die Zeichen waren nun wirklich nicht mehr zu übersehen. Immer häufiger gab es Truppenparaden, bei denen nicht nur Mannschafts- und Kübelwagen, sondern auch in langen Reihen Panzer rollten.
    Friedrich und Klara waren sehr deprimiert deswegen.
    »Wer jetzt noch nicht begreift, dass wir auf einen neuen Krieg zu marschieren«, knurrte Friedrich, »der muss mit Scheuklappen geboren worden sein!«
    Wie froh war ich, dass Lysander noch zu jung für das Militär war. Zu jung für die Hitlerjugend war er leider nicht.
     
    Friedrich, Klara und ich wollten am Abend noch zusammen Weihnachtsgeschenke einkaufen und ein wenig gemeinsam speisen. Natürlich bevorzugten wir nach wie vor Naziblut und machten uns ein regelrechtes Vergnügen daraus, ein paar ansehnliche Exemplare dieser Spezies zu jagen.
    Klara hatte einen Tipp bekommen und so spaziertenwir ziemlich unerwartet bei einem Hetzkolumnisten des Angriffs hinein, und da der gerade dabei war, sich von einer nur mit Stiefeln und einer Reitgerte bekleideten Partei- und Volksgenossin bedienen zu lassen, nahmen wir die zum Dessert gleich mit.
    Danach sank ich, vollgepumpt mit

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