Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Amanda
Conrad als Gestaltwandler in seinen menschlichen Phasen ein normales Leben führen konnte. Dennoch gestaltete sich alles recht mühsam und wir kamen ohne geschultes Personal nicht aus. Zum Glück hatte Klara eine Cousine auf dem Lande, die sie überredete, ihren trunksüchtigen Mann endlich zu verlassen, um bei uns die Hauswirtschaft zu führen und die BDM-Mädel anzuleiten. Sie hieß Waltraud, kam aus dem Rheinischen und sprach auch so und hatte eine nah am Wasser gebauteSeele, aber das Herz am rechten Fleck, und Lysette liebte sie bald sehr.
Hagen, ein jüngerer Bruder unseres ehemaligen Kutschers Mathias, war trotz der bösen Gerüchte im Dorf ebenfalls bereit, für uns zu arbeiten. Da er gelernter Pferdewirt war und aus Liebe zur Heimat in Blankensee bleiben wollte, war er genau der Richtige, um mit Conrad das Gestüt neu aufzubauen. Während die beiden Pläne schmiedeten, widmete ich mich mit Friedrich zusammen der Renovierung des Gutshauses. Aber da wir wenig Geld hatten, ließ sich das meiste nur provisorisch reparieren. Aber immerhin bekamen die Räume im Ostflügel bald wieder eine heimelige Atmosphäre, und als das Klavier gestimmt worden war, machte es uns viel Spaß, gemeinsam mit Lysette zu musizieren. Sie hatte eine sehr schöne Stimme und stellte sich, als Friedrich ihr Unterricht gab, auch beim Klavierspiel so geschickt an, dass es wirklich eine Freude war. Wenn Conrad sich dann abends zu uns setzte, waren wir eine richtige Familie und wir vergaßen in unserem Refugium, was sich in Berlin und draußen im Land abspielte. In diesen harmonischen Augenblicken konnte ich manchmal kaum fassen, dass dieses Glück mir tatsächlich zuteilwurde. Es war so irreal angesichts der realen Bedrohung um uns herum. Aber alle, mit denen ich hier lebte, bestärkten mich in dem, was ich für Blankensee tat, und so fasste ich schließlich Mut, und obwohl ich an das schreckliche Schicksal unserer ersten Pferde denken musste, die im Großen Krieg ihr Leben ließen, gab ich Conrad meine Zustimmung zum Aufbau einer neuen Pferdezucht. Ich wollte nach vorne schauen und tat es für meine Kinder.
Blankensee, im Januar 1934
Hansmann hat mir notariell das Nießnutzrecht für Blankensee übertragen. Ich habe das Gutshaus noch vor Weihnachten wieder geöffnet und lebe nun hier mit Conrad und Lysette und Friedrich und Klara. Lysander hat sich entschlossen, in Berlin zu bleiben und zu Hansmanns Familie F in die Villa von Utz zu ziehen.
Diese Entscheidung trübt das Glück, das ich ansonsten hier so reichlich finde. In der Natur und bei den Menschen, die ich liebe. Oft stehe ich am Grab von Wolfgang und frage mich, ob ich auch meinen zweiten Sohn schon verloren habe.
Amanda
Im zweiten Jahr nach unserer Übersiedelung nach Blankensee fuhr Conrad nach Österreich, das als Ostmark inzwischen dem Reich mit großem Brimborium angeschlossen worden war, sah sich die Lipizzaner an und besuchte dort seinen alten Vater, den er auf dem Sterbebett antraf. Er kehrte mit einer kleinen Erbschaft und der Erkenntnis zurück, dass die Lipizzaner für uns dennoch unerschwinglich waren.
Es war dies der Moment, in dem Friedrich mit dem Vorschlag kam, sich doch das Geld da zu besorgen, wo es reichlich vorhanden war.
»Wenn du legal nicht an dein Geld kommst, Amanda, dann müssen wir es uns eben mit illegalen Mitteln besorgen.«
»Du willst Hansmanns Bank ausrauben? Nein!«
»Doch! Genau das ist meine Idee. Erstens unterstützt Hansmann mit dem Geld doch nur die Nazis – sodass esgeradezu ein revolutionärer Akt ist – und zweitens können wir uns dort am leichtesten Zugang zum Tresorraum verschaffen.«
Er wirkte tatendurstig und kaum zu bremsen. »Es ist einfach genial und genau genommen nicht einmal Diebstahl, denn es ist das Geld deines gesetzlichen Vaters Utz und steht dir zu.«
Das hatte er gewiss nur gesagt, um mir gegenüber die Tat zu legitimieren.
»Er wird uns sofort in Verdacht haben, wenn wir plötzlich über Geld verfügen.«
»Nein, wird er nicht, weil ich ihm nämlich schon von meiner Erbschaft erzählt habe«, fiel ausgerechnet Conrad mir in den Rücken. »Er hat ja keine Ahnung von deren Höhe und von Pferden versteht er auch nichts. Stell dir nur mal vor, Amanda, fünf Lipizzaner! Vier Stuten und ein Hengst.«
Ich stellte es mir vor und wurde weich wie eine Birke im Wind. Conrad schmunzelte. »Doch, Liebling, es ist eine geniale Idee, und im Grunde genommen holst du dir nur, was dir ohnehin gehört. Hansmann ist
Weitere Kostenlose Bücher