Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Amanda

Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Amanda

Titel: Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Amanda Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bianka Minte-König
Vom Netzwerk:
umklammerte.
    ›Halt! Stehen bleiben! Kontrolle!‹, schrie einer der Hitlerjungen sofort und alle rannten los.
    ›Pst‹, flüsterte Lysander und legte mir eine Hand auf den Mund. Mit dem anderen Arm presste er mich eng an sich und drückte mich mit dem Rücken ganz fest gegen die Tür, vor der wir standen, so als könnte er die Materie zwingen, uns hindurchzulassen.
    ›Kontrolle! Weisen Sie sich aus!‹, gellte es noch einmal durch die nächtliche Gasse und mit diesem Ausruf kamen uns die Schritte bedrohlich nahe.
    Lysander sah sich verzweifelt um, und ich hatte den Eindruck, dass ihm die Situation über den Kopf wuchs.
    Aber vermutlich durch seine lange Freundschaft zu Aaron fühlte er sich wohl irgendwie verpflichtet, mich zu beschützen. Im trüben Schein der Laterne sahen wir die beiden Hitlerjungen nun gradewegs auf uns zulaufen. Es gab keine Chance, ihnen zu entkommen.
    Ein metallisches Geräusch hinter meinem Rücken ließ mich herumfahren. Mit einem Ruck öffnete sich die Tür und wir taumelten in ein düsteres Treppenhaus.
    Jemand schlug die Tür zu und schob einen schweren Riegel davor. Sekunden später hämmerten grobe Fäuste gegen das Holz und mit lautem Rufen verlangten unsere Verfolger Einlass.
    ›Sie haben kein Recht dazu‹, sagte unser Retter. ›Sie haben kein Recht zu irgendetwas. Lassen wir uns also von ihnen nichts vormachen. Sind doch alles unreife Lümmel! Vom großen Kinderfresser eingefangen. Mit verdrehtem Kopf hat er sie wieder losgeschickt, um brave Bürger zu erschrecken.‹
    Wir folgten unserem Retter durch einen finsteren Flur in ein dämmriges Arbeitszimmer.
    ›Nehmt Platz‹, sagte der unbekannte Helfer, der sich nun im spärlichen Licht der Schreibtischlampe als ein weißhaariger, hagerer Mann entpuppte, den ich vom Alter weit jenseits der sechzig schätzte. Er lächelte wissend, als wir uns unbehaglich auf die Kante des Sofas hockten.
    ›Ihr kommt aus dem Club‹, sagte er mit einer angenehm melodiösen Stimme. ›Ich höre manchmal die Musik, wenn ich das Fenster aufmache. Ich liebe Jazz und …‹
    ›Wer sind Sie?‹, unterbrach ich ihn. ›Warum haben Sie uns vor den Hitlerjungen gerettet? Sie kennen uns doch gar nicht.‹ Und als ich das sagte, schämte sich Lysander offenbar seiner braunen Uniform, denn er stammelte: ›Ich, äh, bin keiner von denen … also … ich bin zum ersten Mal dabei … und …‹
    ›Hoffentlich auch das letzte Mal‹, sagte der alte Mann, ›wenn ich dich anschaue, weiß ich, dass du dort nicht hingehörst … ich hätte dich sonst auch nicht hereingelassen.‹
    Ich wunderte mich dennoch über das Vertrauen, welches er uns entgegenbrachte.
    ›Wer sind Sie?‹, fragte ich erneut, und auch Lysander schien neugierig geworden zu sein. Nur beiläufig registrierten wir daher, dass die hämmernden Schläge an der Eingangstür verstummt waren.
    Dann plötzlich fiel es Lysander wie Schuppen von den Augen. ›Sie sind der Apotheker‹, sagte er. ›Sie sind der Apotheker der Einhorn-Apotheke. Ich kenne Sie, Sie haben mir immer Lakritz und Süßholz abgewogen. Fast jeden zweiten Tag bin ich bei Ihnen im Laden gewesen. Erinnern Sie sich?‹
    Der alte Herr lachte. ›Natürlich erinnere ich mich. Du bist der Urenkel von Jakob Vanderborg, dem Erfinder dieser wunderbaren Illusionsmaschinen.‹
    Er schwieg einen Moment, dann nahm er hinter dem Schreibtisch Platz, stützte beide Hände auf die Platte und sah Lysander durchdringend an.
    ›Erlauben deine Eltern dir denn, bei der Hitlerjugend mitzumachen? Das wundert mich ein wenig.‹
    Lysander wurde verlegen. ›Ja, äh, nein … ich …äh … lebe bei meinem Onkel Hansmann … und der …‹
    ›… ist ein überzeugter Nazi und hat offenbar auch dich überzeugt.‹
    Der Apotheker hob lauschend den Kopf. ›Ich glaube, sie sind fort. Ich lasse euch jetzt am besten wieder hinaus. Seht zu, dass ihr nach Hause kommt. Besonders du, Sarah. Ihre Übergriffe werden immer frecher.‹
    Wir erhoben uns und der Apotheker ging voraus zur Eingangstür, wo er den Riegel zurückschob und aufschloss.
    ›Masseltov‹, sagte er und steckte vorsichtig sichernd den Kopf durch den Türspalt. Sekunden später sackte er mit einem gurgelnden Stöhnen zu Boden.
    ›Verdammte Judensau!‹
    ›Dich werden wir lehren, verdächtige Personen unserer Kontrolle zu entziehen!‹
    Wir standen wie erstarrt. Durch den Türspalt, in dem der Körper des Apothekers eingeklemmt lag, sah ich einen Stiefel auf den Bewusstlosen eintreten. Dann

Weitere Kostenlose Bücher