Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Amanda
blieb bei Lysette, während Conrad, Friedrich und Lysander mich begleiteten.
Es war viel Volk auf den Straßen, sodass wir nicht auffielen, aber da überall die SA und die Hitlerjugend patrouillierten, hieß es dennoch achtsam sein.
Wir trugen dunkle Kleidung und stülpten uns für den Einbruch Masken über die Köpfe. Durch einen Lüftungsschacht stieg Lysander ein, legte die Alarmanlage durch das Entfernen von Sicherungen lahm und ließ uns durch einen Nebeneingang in die Bank. Dort mussten wir mit Dynamit das Schloss des Tresorraums sprengen. Da wir dies genau um Mitternacht machten, fiel es in der allgemeinen Knallerei nicht auf, und wir waren gerade dabei, eine reiche Beutean Geld und Gold fortzuschleppen, als eine Rotte von SA-Leuten auf uns aufmerksam wurde. »Halt, stehen bleiben! Kontrolle!«, brüllte der Anführer sofort. Hastig warf Friedrich den Motor an, und ich stürzte zu ihm und Conrad ins Auto. Wo blieb denn nur Lysander? Ich knallte die Wagentür zu, wobei ich jedoch rief: »Du kannst noch nicht fahren, Friedrich, Lysander ist noch nicht da!« Auch Conrad hielt beunruhigt nach ihm Ausschau. Aber Friedrich hatte mich wohl nicht verstanden, gab Gas und brauste mit dem Wagen auf die SA-Truppe zu, sodass die Braunhemden hastig zur Seite sprangen, um nicht überrollt zu werden.
»Du kannst Lysander nicht zurücklassen! Halt an, Friedrich!«, schrie ich hysterisch. Ich fiel ihn von hinten an, rüttelte an seiner Schulter, damit er anhielt, und auch Conrad redete auf ihn ein. Aber er meinte nur: »Lasst den Unsinn! Wir wären verloren gewesen, wenn ich noch eine Sekunde länger gewartet hätte. Gegen diese Übermacht hätten selbst wir als Vampire keine Chance gehabt. Lysander ist nicht dumm, er wird sich heimlich davonschleichen oder so lange verbergen, bis sie fort sind.«
»Und wie kommt er zurück nach Blankensee? Dreh sofort um, ich muss wissen, dass er in Sicherheit ist.«
Da auch Conrad unmissverständlich klarmachte, dass wir Berlin nicht ohne Lysander verlassen würden, stellte Friedrich das Auto an einer verborgenen Stelle ab und wir schlichen uns zurück zum Bankhaus. Aber das war weiträumig abgesperrt. Der Einbruch war offenbar bereits entdeckt worden, und als wir uns wieder davonstehlen wollten in der Hoffnung, dass Lysander noch rechtzeitig entkommen konnte, sah ich in einem Mannschaftswagen sein blasses Gesicht, in dem schiere Verzweiflung stand.
Der Mutterinstinkt trieb mich vorwärts. Ohne lange zuüberlegen, rannte ich los, um Lysander zu befreien. Aber ich hatte keine Chance. Laute Kommandos wurden gebrüllt, Schüsse knallten, und ich fühlte, wie mehrere Geschosse in mich eindrangen. Doch die bremsten meinen Sturmlauf nicht. Ich erreichte die Tür des Wagens und wollte sie gerade aufreißen, als mich ein harter Gegenstand, vermutlich eine Pistole, am Kopf traf. Ich taumelte zurück, Friedrich genau in die Arme. Mit übermenschlicher Kraft hob er mich auf und eilte mit riesigen Schritten und in rasend schnellem Lauf mit mir davon.
»Wo ist Conrad?«, fragte ich keuchend. Friedrich schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht. Er war eben noch bei mir. Vielleicht hat er von der anderen Seite versucht an Lysander heranzukommen …« Rasch hängte er unsere Verfolger ab, und als wir das Auto erreichten, legte er mich auf die Rückbank und brauste in schnellem Tempo aus der Stadt. An der Straße nach Blankensee fuhr er das Auto in ein Gebüsch.
»Lass uns hier warten. Vielleicht schaffen die beiden es ja doch noch, zu entkommen und die Stadt zu verlassen. Dann werden sie gewiss versuchen nach Blankensee zu gelangen.«
Wir warteten lange Zeit, in der meine Verletzungen bereits zu verheilten begannen, doch als die Dunkelheit langsam lichter wurde, mussten wir allmählich an uns selber denken. Niemandem war damit gedient, wenn wir hier im Tageslicht zu Asche verglühten. Obwohl mir das in meiner Verzweiflung über das ungewisse Schicksal von Conrad und Lysander sogar fast verlockend schien. Was sollte ich auf dieser Erde noch ohne meinen geliebten Mann und meinen Sohn?
Mitten in diese schwarzen Gedanken fiel plötzlich einHoffnungsschimmer, als ich aus Richtung Berlin einen einsamen Radfahrer auftauchen sah, der in leicht schwankender Fahrt auf unser Auto zuhielt. Es war Conrad! Entsetzlich zugerichtet, mit zerschlagenem Gesicht, zugeschwollenem Auge und blutender Lippe. Sein Jackett war zerfetzt und das Haar klebte ihm blutverkrustet an der Stirn. Die Hose hing zerrissen um die
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