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Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Amanda

Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Amanda

Titel: Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Amanda Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bianka Minte-König
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stellte eine Gefahr dar, und es wäre beruhigend, wenn es mir möglich wäre, ihn zubeeinflussen, zum Beispiel, falls er doch einmal entkommen sollte.
    In einem alten Buch aus der Bibliothek meiner Mutter hatte ich gelesen, dass ein Werwolf, der von einem Menschen gezähmt wird, diesem Menschen vollkommen gehorcht. Allerdings las ich auch, dass es so gut wie unmöglich ist, einen Wolf, geschweige denn eine solche mystische Kreatur zu zähmen. Dennoch wollte ich den Versuch wagen, schließlich war ich selber ein mystisches Wesen und hatte vielleicht bisher unentdeckte Fähigkeiten, die mir dabei nützlich sein konnten.
    Conrad half mir Lysander in Ketten zu legen, und mir blutete das Herz, als wir ihm die an den Innenseiten mit Leder gepolsterten Eisen anlegten.
    »Und du willst wirklich bei ihm bleiben?«, fragte Conrad, bevor er sich selbst mit Friedrich zurückzog, um seine Zelle zu beziehen. Ich nickte. »Ja, er ist mein Sohn, er braucht mich an seiner Seite.«
    »Aber es ist nicht ungefährlich, er wird zu einer Bestie, er wird dich nicht mehr erkennen … allein die Verwandlung ist grauenvoll, warum willst du dir das antun?«, fragte auch Friedrich.
    »Weil ich ihn liebe«, sagte ich und setzte mich zu Lysander an die Liege und nahm seine Hand.
    Ich ließ sie während der folgenden Verwandlung nicht los, auch nicht, als sie zu einer Tierpfote mutierte, mit scharfen Krallen, starken Sehnen, harten Ballen und dichtem, rauem Fell. Es war schrecklicher, als ich gedacht hatte, denn obwohl ich den Verwandlungsprozess bereits bei Conrad erlebt hatte, war es etwas anderes, sein eigenes Kind zu einer Bestie werden zu sehen: den zarten Jungenkörper hart und muskulös, die weichen Gesichtszügekantig, wild, von schwarzem Fell überwuchert, den Fang mit scharfen Zähnen bewehrt. Er fürchtete sich, redete in einem fort seine Angst weg, verlor dann die Kontrolle über seine Sprache, stotterte, lallte, stieß unartikulierte Laute von sich …
    Nach einem grauenhaften Übergangsstadium, währenddessen sich Lysander trotz des Morphiums in qualvollen Schmerzen wand, sich schreiend aufbäumte und schließlich nahezu bewusstlos zurück auf sein Lager fiel, wurde er endlich ganz zu einem Wolf. Schwarz war er und gelb leuchteten seine Augen und die Angst sträubte sein Fell, als er versuchte zu fliehen und ihn die Ketten brutal daran hinderten.
    Ich hatte ihn inzwischen losgelassen, stand bewegungslos an der Tür und versuchte standzuhalten. Umtobt von Fauchen, Knurren, Heulen, dem Klirren der Ketten und einer unglaublichen Aggression, die sich nun gezielt gegen mich richtete. Lysander baute sich knurrend vor mir auf, fletschte die Zähne – nur ein halber Meter trennte uns. Angriffswut, aber vor allem Angst stand in seinen Augen. Angst vor mir.
    Wölfe sind scheue Tiere, hatte ich gelesen, sie fliehen die Menschen und werden erst aggressiv, wenn sie sich ausweglos in die Enge gedrängt fühlen. Ihr Freiheitsbedürfnis macht jeden Zähmungsversuch unmöglich. Ich senkte meinen Blick. Viele Tiere ertrugen es nicht, wenn man sie direkt anschaute.
    »Es ist gut«, sagte ich so ruhig wie möglich, »alles ist gut. Leg dich … leg dich hin …« Ich dachte an Conrads Hypnose, aber Lysander machte keine Anstalten, meinem hypnotischen Befehl zu gehorchen. Der Wolf will Dominanz, fiel mir ein anderer Ratschlag ein, er ordnet sich alsJungtier dem Rudelführer unter. Die Rollen waren also klar verteilt. Aber als Mensch würde ich ihn nie bezwingen.
    Lysander heulte und ich fasste mir ein Herz. Ich ging auf ihn zu, ergriff ihn, zwang ihn mit meiner vampirischen Kraft in meine Arme und hielt ihn so lange fest, bis sein tobender Widerstand erlahmte und er ermattet aufgab. Ich ließ ihn zu Boden gleiten, hielt ihn eng am Hals an seiner Kette und begann ihn mit der anderen Hand zu streicheln.
    Erst schnappe er nach mir, aber da ich ihn weiter niederzwang, ließ er es schließlich geschehen.
    »Du bist mein Fleisch, mein Blut, mein Kind«, murmelte ich dabei beschwörend. »Und darum gehorchst du mir.«
    Und als ich hinzufügte: »Ich liebe dich«, da leckte er meine Hand, drehte sich auf den Rücken und ergab sich.
     
    Im Frühjahr reiste Conrad mit Lysander nach Wien und suchte die Lipizzaner aus, die ein paar Wochen später mit einem Pferdetransporter auf dem Gut eintrafen.
    Blankensee, im Frühjahr 1939
     
    Wir müssen uns mit der Tatsache abfinden, dass Lysander ein unglückseliges Erbe in sich trägt, welches mit seinem vierzehnten

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