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Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Amanda

Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Amanda

Titel: Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Amanda Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bianka Minte-König
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Beine und ihm fehlte ein Schuh. Seine nackten Hände, mit denen er den Metalllenker umklammerte, waren blau gefroren. Ich stürzte zu ihm, zog ihn vom Rad und in meine Arme. Ich weinte vor Erleichterung und bedeckte sein zerschundenes und in der Neujahrskälte erstarrtes Gesicht mit heißen Küssen. Dass er wieder bei mir war, welch kaum fassbares Glück! Wir stiegen ins Auto, wo wir beide erschöpft und atemlos aneinandergeklammert nichts mehr wahrnahmen, bis wir das Gut erreichten.
    Nun saßen wir im unterirdischen Salon und berichteten, was geschehen war. Ich schämte mich zutiefst, dass ich Lysander in der Gewalt der Nazis zurückgelassen hatte, und hockte schweigend und immer noch durch die zahlreichen Kugeln geschwächt in einem Sessel. Conrad stand stumm am Kamin. Er wirkte wie ein alter Mann und nicht wie Anfang vierzig.
    »Und Lysander ist wirklich verhaftet worden?«, fragte Klara erschüttert. So hatte auch sie sich das Ende des Bankeinbruches nicht vorgestellt.
    Conrad nickte. »Ja, ich habe gehört, dass sie ihn nach Spandau bringen wollten.« Und obwohl er völlig zerschmettert wirkte, sagte er mit letzter Kraft: »Wir werden ihn befreien. Irgendwie werden wir ihn da rausholen.«
    In dieser Nacht liebten wir uns mit bedingungsloser gegenseitiger Hingabe. So stärkten wir uns für das, was dunkel und drohend auf uns und Lysander
     wartete.
     
    Die Zeit drängte, denn ein weiteres Problem kam auf uns zu. In zwei Nächten würde Vollmond sein. Bis dahin mussten wir Lysander freibekommen, wenn es kein Unglück geben sollte. Aber wir fanden keinen Weg, und von Hansmann und Gertrud erhielten wir ebenfalls keine Unterstützung, weil wir ihnen natürlich den wahren Grund für unsere Sorge nicht mitteilen konnten. Alleine zu Lysander vorzudringen, war unmöglich. Spandau war eine Feste, uneinnehmbar auch für uns trotz unserer mystischen Kräfte.
    So nahm das Verhängnis seinen Lauf.
    Während Conrad in der Vollmondnacht auf Blankensee in seiner Zelle sicher verwahrt war, verwandelte sich auch Lysander erneut in einen Werwolf und richtete unter seinen Zellengenossen ein blutiges Massaker an, das erst am nächsten Morgen entdeckt wurde, als er bereits wieder seine Menschengestalt angenommen hatte. Daraufhin wurde seine sofortige standrechtliche Erschießung angeordnet.
    Gertrud teilte uns das wohl aus reinem Pflichtbewusstsein, aber ohne jeden Funken Mitgefühl telefonisch mit.
    »Dass Lysander uns, die wir ihn wie ein Kind aufgenommen haben, so hintergeht und Bankräuber in unsere Bank einschleust, spricht für eine beträchtliche kriminelle Veranlagung. Solche Elemente können wir in unserer Volksgemeinschaft nicht dulden. Das solltest auch du verstehen, Amanda.«
    Mir entfiel der Hörer, und der Schmerz über diese kalte und herzlose Mitteilung zerriss mich fast.
    Aber noch war die Flamme der Hoffnung in mir nicht völlig erloschen.
    Friedrich hatte unter dem Wachpersonal in Spandau einen alten Kameraden, dem er im Großen Krieg das Leben gerettet hatte. Mit seiner Hilfe gelang es ihm, Lysandersleblosen Körper aus der Gefängnisfestung herauszuschmuggeln.
    Ich war natürlich mit ihm nach Berlin gefahren und hielt nun den Jungen auf meinem Schoß, während Friedrich das Auto nach Blankensee zurücklenkte. Wie tot lag mein Kind mir in den Armen, und ich war mir keineswegs sicher, dass Lysander jemals wieder zum Leben erwachen würde.
    Aber er schaffte es, und wieder einmal erwies es sich als Glück, dass ein Werwolf nur von einer Silberkugel getötet werden konnte. Damit waren selbst Hitlers Erschießungskommandos noch nicht ausgestattet.
    Dennoch glich der Salon im Geheimen Gewölbe in den nächsten Tagen eher einem Lazarett, da wir alle doch ziemlich angeschlagen waren und uns erst langsam von den schweren, zum Teil mehrfach tödlichen Verletzungen erholten.
    Sehr herzlich lachten wir aber, als uns ein Genosse aus dem Untergrund eine Berliner Zeitung mitbrachte, die in fetter Schlagzeile über Lysander herausschrie:
    Bolschewistisches Monster zerreißt Gefangene in Spandau.
     
    Trotz allem hatte sich der Bankeinbruch gelohnt. Nun besaßen wir doch eine solide materielle Basis und konnten damit beginnen, auf Blankensee das Gestüt zu errichten.
     
    Bei Lysanders nächster Verwandlung ließ ich mich mit ihm in seiner Zelle im Geheimen Gewölbe einschließen. Ich hatte mir vorgenommen, ihn dabei zu begleiten und den Versuch zu unternehmen, ihn zu zähmen, sobald er seine Wolfsgestalt angenommen hatte. Er

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