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Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Amanda

Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Amanda

Titel: Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Amanda Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bianka Minte-König
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Unglück bei der Razzia gegeben hätte und er nun auf Blankensee sei, ließ ihm ein warmes Bad ein und ging dann zu Conrad. Ich befreite ihn aus seiner Zelle und brachte ihm zugleich die Hiobsbotschaft. Ich küsste ihn, als ich seine schweren Fesseln aufschloss, und streichelte sein von den Strapazen der Verwandlung zerfurchtes Gesicht.
    »Lass mich zuerst mit ihm sprechen, Conrad«, bat ich, »bevor du ihn mit der ganzen Härte deines Schicksal konfrontierst.«
    Und so ging Conrad in sein Zimmer und machte sich selber auch erst einmal wieder menschlich.
    Lysander war im lauwarmen Wasser langsam wieder aufgetaut und saß wenig später in ein Handtuch gewickelt auf dem Sofa im unterirdischen Salon und schaute in die Flammen des Feuers, das ich im Kamin entzündet hatte.
    Er erinnerte sich an nichts, sodass ich annahm, dass er noch in der Gestalt des Wolfes hierher geflohen war.
    Wir saßen lange schweigend beieinander, schließlich fragte Lysander mit leiser, gebrochener Stimme:
    »Was … was … ist mit mir geschehen? Wer hat mich in den Keller gesteckt?«
    »Niemand«, sagte ich, »oder doch … ein grausames Schicksal …« Und mit dürren Worten versuchte ich ihm das eigentlich Unaussprechliche zu erklären. Ich erzählte ihm, was Friedrich von dem Überfall der Hitlerjungen beobachtethatte, aber ich berichtete ihm auch von der Fahrt in die Karpaten, von Utz, dem bösartigen Vampir aus dem mittelalterlichen Grafengeschlecht, der unsere ganze Familie mit seinem Hass verfolgte und bei unserer Flucht ein Rudel Wölfe auf uns gehetzt hatte. Große Wölfe, besondere Wölfe, Wölfe aus einem mystischen Geschlecht.
    »Dein Vater wurde von dem Leitwolf dieses Rudels gebissen. In unserer Hochzeitsnacht verwandelte er sich das erste Mal und ist seitdem ein Gestaltwandler, der in jeder Vollmondnacht zum Werwolf mutiert.«
    Das Entsetzen und die Verzweiflung in Lysanders Augen waren kaum zu ertragen.
    »Du … du … willst damit doch nicht sagen … dass auch ich nun einmal im Monat zu … zu … einer solchen Bestie werden muss …?«
    »Ich weiß es nicht, Lysander. Wir müssen abwarten und hoffen. Vielleicht muss zum Vollmond noch ein ganz bestimmter Erregungszustand hinzutreten. Vielleicht verwandelst du dich nur, wenn du nicht mehr Herr deiner Sinne bist … vielleicht macht sich das Animalische in dir einen solchen Zustand zunutze und bricht nur dann hervor … wie in dieser Situation, als dein Zorn so unermesslich wurde angesichts der Gewalt, welche deine Kameraden aus der Hitlerjugend Sarah antaten …«
    »Aber warum jetzt … so plötzlich aus heiterem Himmel … ohne Vorwarnung?«
    »Du bist nun vierzehn, kein Kind mehr … vielleicht bricht eine solche Veranlagung erst mit dem Jugendalter aus.« Ich wusste es doch auch nicht und so riet ich ihm: »Sprich am besten mit deinem Vater. Er ist nicht nur ein Gestaltwandler, sondern auch Arzt und Psychiater, er wird es dir am ehesten erklären können.«
    Lysander weinte in meinen Armen und mir war klar, dass er nur Bruchstücke von dem, was ich ihm erzählt hatte, wirklich begriffen hatte und an seiner diffusen Vorstellung von einem grauenhaften, unverständlichen Schicksal zu verzweifeln drohte. Dass Friedrich, Klara und ich Vampire waren, behielt ich zunächst für mich, denn er hatte auch so schon genug zu verdauen. Und um ihn zurück in die Normalität zu holen, suchte ich ihm Hose und Hemd aus einem der Schränke und nahm ihn mit hinauf in das Gutshaus, wo er mit freudiger Erleichterung von allen liebevoll aufgenommen wurde.
    Später ging Conrad mit ihm hinunter zum gefrorenen und verschneiten See. Ich weiß nicht, was sie unter Männern besprachen, aber ich nahm an, dass Conrad als Psychotherapeut wusste, wie er seine Worte zu wählen hatte, um die zarte Seele seines Sohnes nicht völlig zu zerstören.
     
    D
as Weihnachtsfest stand vor der Tür, und nachdem ich mit Conrad gesprochen hatte, fanden wir es an der Zeit, eine grundsätzliche Entscheidung über Lysanders Zukunft herbeizuführen. Keiner von uns gab sich mehr der Illusion hin, dass es sich um einen einmaligen Anfall gehandelt hatte, und so baten wir Lysander in die Bibliothek.
    »Ich nehme nicht an, dass du, nach dem, was geschehen ist, zurück zu Hansmann und deinen Nazi-Freunden willst«, sagte ich und versuchte meiner Stimme einen kompromisslosen Klang zu geben. »Wir schlagen dir also noch einmal vor, zu uns nach Blankensee zu ziehen.«
    Aber Lysander hatte die Hoffnung, nach Berlin zurückkehren

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