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Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Amanda

Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Amanda

Titel: Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Amanda Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bianka Minte-König
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noch weiter von der Freiheit entfernt waren als im Bankettsaal. Dumpfe Furcht befiel mich und breitete sich beklemmend in meinem Inneren aus. Mein Atem wurde kürzer und meine Schritte schleppend. Was, wenn wir in die Irre liefen und alles sinnlos war, weil Radke, der Fuchs, uns listig belog?
    Ich hatte die Hand meiner Mutter ergriffen und sie mitgezogen, nun sah ich sie fragend an:
    »Du kennst doch die Burg, erinnerst du dich an irgendeinen verborgenen Ausgang, an dem uns Utz nicht sofort abfängt?«
    Sie schüttelte den Kopf und die Verzweiflung verschattete ihre Augen.
    »In diesem Bereich der Burg bin ich nie gewesen.«
    So schlichen wir leise weiter, an zahllosen Eisentüren, die mit schweren Riegeln verschlossen waren, vorbei, bis Friedrich plötzlich stehen blieb. Er wirkte sehr unruhig und auch ich spürte eine starke Gier in mir, selbst Radkes Augen wurden gelb. Wir verhielten den Schritt vor der nächsten Tür, und Friedrich öffnete den Schieber vor einer darin befindlichen Luke, um zu schauen, was sich dahinter verbarg. Mit einem leisen Keuchen fuhr er zurück. Ich drängte ihn zur Seite, um selber einen Blick zu riskieren,und mir blieb bei dem Anblick, der sich mir bot, fast das Herz stehen.
    »Was, was ist das?«, stammelte ich leise.
    »Es sind seine Weinstöcke«, sagte Radke, nachdem Friedrich ihm einen Tritt verpasst hatte.
    Ich sah dreizehn junge Frauen, nackt mit eisernen Reifen an eine rohe Steinwand geschmiedet und am Hals an einen Mechanismus angeschlossen, aus dem ein eunuchenhafter Kellermeister ihnen das Blut abzapfte.
    »Weinstöcke«, zischte ich dem Radke zu. »Was soll das heißen?« Der wand sich, doch als Friedrich ihn in die Weichteile stieß, bequemte er sich zu einer geflüsterten Antwort. »Herr Utz pflegt seine Weinstöcke sehr gut. Blut ist ein sich erneuernder Saft. Darum wird den Mädchen immer nur so viel abgezapft, wie sich in kürzester Zeit wieder neu bildet. So sind sie ein lange anhaltender Quell. Außerhalb der Zapfzeit leben sie in einem Harem und erhalten von Utz nahrhaftes Essen und …« Er brach ab.
    »Was und?« Er schwieg und an seiner Stelle sagte meine Mutter leise: »Er missbraucht sie in der Art und Weise, wie er es mit dir vorgehabt hat. Ich habe selbst eine Weile in diesem Harem gelebt. Er machte sich nach jedem Dinner einen Spaß daraus, vor meinen Augen die jungen Frauen mit seinen Perversionen zu quälen …«
    Friedrich schob die Luke leise zu und es war ihm anzusehen, dass er so schnell wie möglich aus diesem grauenhaften Folterkeller herauswollte. Und auch in mir stieg Übelkeit auf … und ich fragte mich, von welchen dieser armen Mädchen wir heute das Blut getrunken hatten.
    Friedrich schien meine Gedanken zu ahnen, er trieb den Radke vor sich her und sagte leise zu mir: »Darüber darfst du jetzt nicht nachdenken, Amanda.« Aber ich tat esdennoch. Während wir durch den dunklen Keller weiterstolperten, sah ich die seelenlosen Blicke der Mädchen vor mir, und obwohl sie vermutlich betäubt waren und keinen Schmerz empfanden, war ich fassungslos vor Entsetzen darüber, dass Utz seinen vampirischen Bluttrieb so rationalisiert und mechanisiert befriedigte. Nach diesem grauenhaften Schauspiel mochte ich nicht darüber nachdenken, was Utz meiner Mutter in den Jahren ihrer Gefangenschaft auf dieser Burg alles angetan hatte.
     
    Wir hatten schon keine Hoffnung mehr, jemals aus dem Gewirr von Gängen in diesem Keller hinauszufinden, als meiner Mutter eine Erinnerung kam.
    »Wir befinden uns jetzt genau unter dem Bergfried«, sagte sie. »Hierhin bin ich als Eleonore oft geflohen, bevor ich zu Estelle wurde. Ich konnte die Burg nicht verlassen, aber ich konnte zumindest auf den Turm steigen und im Mondlicht in die Landschaft hinaussehen und die Luft der Freiheit atmen.«
    Sie schaute sich suchend um und wies uns dann eine Richtung. »Dort am Ende des Ganges führt eine Wendeltreppe in den Turm hinauf. Irgendwo gibt es auch eine Tür, durch die man auf die Burgmauer gelangt. Von dort könnt ihr versuchen hinabzuklettern.«
    Lenz ging voran, um den Weg auszukundschaften. Außerdem mussten wir vor Utz auf der Hut sein, denn er würde gewiss nicht untätig unserer Flucht zuschauen. Conrad kam sehr bald zurück und erklärte uns, dass am Ende des Ganges tatsächlich eine Tür auf die Burgmauer führte, von wo aus die Flucht in die Freiheit möglich schien. Wir stiegen also die steinerne Wendeltreppe hinauf, aber als wir oben ankamen und die Tür öffneten,

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