Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Amanda
gereizt, der Vereinigung mit mir entgegenfiebert. Obwohl sie mich so hasst, wie du es tust, und mir am liebsten ein Messer in die Kehle oder, da wir ja Vampire sind, einen Pflock durch das Herz jagen würde.«
Er lachte höhnisch.
»Vergiss diesen Gedanken, mein Täubchen, ich bin es, der den rechten Pflock in dich zu treiben weiß, dass du es niemals mehr vergessen wirst. Wir Przytuleks werden nicht umsonst die Pfähler genannt!«
Er warf sich auf mich, und ich schrie auf wie ein Tier, wobei ich fühlte, wie mir die Reißzähne aus dem Kiefer wuchsen. Mit wilden Zuckungen versuchte ich mich ihm zu entziehen, nach ihm zu schnappen, ihn zu beißen, merkte jedoch rasch, dass ich zu schwach war, um ihn daran zu hindern, sein widernatürliches Werk zu vollenden. So erwartete ich seinen Todesstoß.
Im selben Moment schrie Großvater Vanderborg auf: »Apagé Satanas«, und als ich die Augen aufriss, sah ich ihn, das Kruzifix in der Hand, auf uns zustürmen. Sekunden später hielt er dem auf mir keuchenden Utz das Kreuz vors Gesicht, und noch ehe der zum Ziel gelangt war, musste er von mir ablassen und die Flucht ergreifen, um nicht unter den Bann des Kreuzes zu geraten. Er floh zur Tür, die sich am Kopfende des Saales befand, während an der Tür am anderen Ende ein Tumult entstand. Ich konnte nichts sehen, aber ich erkannte deutlich Conrads Stimme, die ebenfallsdas »Apagé Satanas« brüllte. Und weil ich es nicht fassen konnte, dass tatsächlich in allerletzter Minute Hilfe nahte, mir zudem das Kreuz von Großvater Vanderborg ein wenig zu nahe gekommen war, schwand mir das Bewusstsein.
Als ich aus der kurzen Ohnmacht erwachte, riss Friedrich gerade einen Krummsäbel von der Wand und hieb einem der Leibwächter, die noch neben mir standen, den Kopf ab, während Lenz dem anderen die Fackel ins Gesicht drückte, sodass dieser rasend vor Schmerz und geblendet davontaumelte.
Sie lösten meine Fesseln, wobei Lenz wohl wegen meiner Nacktheit rot anlief wie ein Krebs und mir schleunigst eine Decke umhängte.
»Amanda, Liebes!«, stammelte er von Mitleid und Zorn überwältigt. »Was hat der Unhold dir angetan! Ich bringe ihn um!« Er zog mich in seine Arme und bedeckte mein Gesicht mit Küssen, und ich spürte, wie in der Geborgenheit seiner Liebe die Kraft in mich zurückkehrte.
Meine Mutter Estelle saß schockstarr weiterhin auf dem Prunkstuhl, während die Mädchen, welche sie festgehalten hatten, sich ängstlich in einer Ecke des Saales zusammenkauerten.
Ich sah Radke auf meine Mutter zulaufen und nach ihr greifen, um sie mit sich aus dem Saal zu zerren.
»Vorsicht Großvater, Radke!«, schrie ich mit sich überschlagender Stimme und zog die Decke fester an meinen Körper. Zwar war der Großvater noch von seiner Herzattacke geschwächt, aber dennoch wild entschlossen, und so stolperte er auf Radke zu, hielt ihm das Kreuz vor die Nase und rief mit zittriger Stimme »Apagé Satanas, fahr zurück zur Hölle!«
Lenz, durch Jung ja mit archaischen Mythen in Berührung gekommen, hatte sich wieder gefangen und stellte erstaunlicherweise mal keine überflüssigen Fragen, sondern versuchte die Tür zu öffnen, durch die Utz entkommen war. Der musste sie allerdings sofort von außen verriegelt haben.
Friedrich hielt mir ein Kleid hin, welches er einem der Dienstmädchen abgenommen hatte.
»Rasch, zieh das an, Amanda, und dann kümmere dich um Estelle.« Schnell schlüpfte ich in das Schürzenkleid und eilte dann zu meiner Mutter, die immer noch erstarrt wie Lots Weib auf das Getümmel im Saal blickte. Weit von Sodom und Gomorrha entfernt waren wir ja wirklich nicht, was Orgie und Sündenpfuhl betraf.
Radke wand sich vor Großvater Vanderborg auf den Knien und winselte um Gnade, während der geblendete Neger jammernd durch den Saal wankte und einen der Vogelständer umriss. Der darauf hockende Uhu flatterte kreischend auf, nur um von der Kette gehalten sofort zu Boden zu taumeln, wo er von dem umstürzenden Ständer begraben wurde und unter schrillen Schreien hilflos mit den mächtigen Schwingen schlug. Überall herrschte heilloses Chaos!
Der überlebende Neger hatte inzwischen wohl einen Teil seiner Sehkraft wiedergewonnen und unbemerkt die Tür am unteren Saalende erreicht. Lenz hetzte ihm nach, das Kreuz wild, aber nutzlos schwenkend. Friedrich fing ihn auf halbem Wege ab und schrie ihm zu: »Steck es weg, das Kreuz, es nützt nichts gegen ihn, er ist ein Mensch!« Dass er uns damit mehr Schmerzen zufügte als
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