Die dunkle Chronik der Vanderborgs - Estelle
ausgerottet hatte. Der dies berichtet, stammt aus demselbigen, hat ihn leibhaftig gesehen und entfloh beizeiten.
Ich war bestürzt und fragte mich, ob auch Amanda um ihren vierzehnten Geburtstag herum begierig auf regelmäßige menschliche Blutmahlzeiten werden würde? Dass es sie schon jetzt nach Blut verlangte, hatte der Zwischenfall mit dem Huhn zweifelsfrei gezeigt. Ich schloss das Buch, verbarg es wieder sorgsam und nahm mir vor, ein wachsames Auge auf Amanda zu halten, um sie zu gegebener Zeit über das Geheimnis ihrer vampirischen Natur aufzuklären, ähnlich wie andere Mütter es mit ihren Töchtern angesichts der ersten Monatsblutung tun. Aber alles kam anders.
Amadeus’ Verwandlung zum Vampir ließ nach wie vor auf sich warten und ging allenfalls schleichend vor sich, wasmich einerseits verunsicherte und ungeduldig machte, andererseits aber auch beruhigte, weil er so seinen Dienst in der Garnison weiter ausüben konnte, ohne aufzufallen oder gar Ärgernis zu erregen. Wenn ich ihn hin und wieder auf den Vampirismus ansprach und scherzhaft fragte, ob er nicht auch gelegentlich einen solchen Blutdurst verspürte, nannte er mich eine Närrin und meinte, mit solchen Dingen solle man keine Scherze treiben, was mich erneut vollkommen verunsicherte. Was nur war schiefgegangen bei seiner Verwandlung? Denn normal konnte es doch nicht sein, wenn Jahre nach meinem Biss immer noch keine nennenswerte Verwandlung bei Amadeus festzustellen war und vampirische Triebe ihm offenbar völlig fremd blieben. Andererseits, wenn das magische Buch recht hatte, und er noch keine eigene Blutmahlzeit gehalten hatte, stünde ja der größte Teil seine Verwandlung noch aus. Vielleicht sollte ich ihm diesbezüglich ein wenig auf die Sprünge helfen? Ein Initiationsritual inszenieren, bei flackerndem Kerzenschein und einem ansprechend dargereichten Opfer … Ich kicherte bei dem Gedanken. Amadeus war inzwischen zum Oberleutnant aufgestiegen und auch Friedrichs Karriere war vorangegangen, denn er hatte seinen Offizierslehrgang erfolgreich abgeschlossen und man hatte ihn zum Leutnant ernannt.
Obwohl die Welt nicht mehr so friedlich war wie noch zur Zeit der Weltausstellung in Paris, so dachte doch niemand ernsthaft an einen Verteidigungsfall, von einem Angriffskrieg, der von deutschem Boden ausging, ganz zu schweigen. Und weil also die Verhältnisse stabil schienen, war das Soldatenhandwerk, insbesondere in den oberen Rängen, eine recht angenehme Art, seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Die jungen Offiziere hatten jedenfalls, wennman den Erzählungen von Friedrich und Amadeus Glauben schenkte, viel Spaß und an Verehrerinnen keinen Mangel.
»Na, Friedrich«, neckte ihn Amadeus, »wann gibst denn du endlich der Liebe eine Chance? Oder willst du immer noch Größeres?«
Friedrich lachte. »Gut geraten, ehe ich nicht Generalleutnant bin, halte ich den Luststab gut verpackt im Tornister. Dein riskantes Liebesleben kann ich mir nicht leisten. Auch bin ich nicht von Adel und nicht schön …«
Wir kicherten alle drei.
»Ist aber kein Grund, immer alleine ins Bett zu geh’n!«, meinte Amadeus. Doch weil Friedrich mich plötzlich so todtraurig anschaute, brach ich das Geplänkel ab und zog ihn mit der Bemerkung: »Hast du das Fohlen schon gesehen?« von Amadeus weg zum Stall.
»Es tut mir leid, Friedrich« beteuerte ich ihm, »Amadeus wollte gewiss nicht unsensibel sein, er weiß ja nichts von deiner Liebe zu mir …«
Friedrich hatte sich bereits gefangen und so sagte er zwar ernst: »Das sollte er auch nie erfahren«, fügte dann allerdings betont locker hinzu: »Wer dich einmal geliebt hat, braucht für den Rest des Lebens keine zweite Liebe mehr, Schwesterlein!«
Ich seufzte ehrlich betrübt.
»Friedrich, Friedrich, du machst mir durch solche Worte das Herz schwer. Schau dich doch einmal im nächsten Herbst auf den Bällen um, Berlin hält ganz bestimmt auch für dich eine Herzdame in der Hinterhand.«
Nur zögernd versprach er es.
Ich fühlte mich inzwischen wie eine echte Gutsbesitzerin, als ich von Hansmann die Nachricht bekam, dass Utzwieder in Berlin weilte und Radke, dieses Fuchsgesicht, ebenfalls.
Er wollte sein Haus mit einem pompösen Ball wiedereröffnen, und da er mich dazu ebenfalls geladen hatte, blieb mir wenig anderes übrig, als der Einladung Folge zu leisten.
Doch bat ich mir Friedrich als Geleitschutz aus und auch Vanderborg ließ es sich nicht nehmen, ein wachsames väterliches Auge auf mich zu
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