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Die dunkle Chronik der Vanderborgs - Estelle

Die dunkle Chronik der Vanderborgs - Estelle

Titel: Die dunkle Chronik der Vanderborgs - Estelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bianka Minte-König
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werfen.
    Ich reiste mit der Kutsche in die Brüderstraße und erfrischte mich dort etwas, bevor ich mit den beiden zur Villa von Utz fuhr. Die Räume in seinem Haus, auch wenn sie einst für mich eingerichtet worden waren, mochte ich nicht mehr betreten. Er war davon zwar nicht erbaut, ließ sich aber seine Verärgerung kaum anmerken. Vielmehr begrüßte er uns zuvorkommend und wie immer wandte er sich nach ein paar hohlen Floskeln seinen anderen Gästen zu. Ich schien ihn nach wie vor nicht zu interessieren, nicht einmal nach dem Kind fragte er. Er war schlanker geworden und seine Haut war tief gebräunt, das blonde Haar viel heller und die Gesichtszüge schärfer geschnitten. Das Abenteuerliche, das ich unterschwellig immer schon in ihm gespürt hatte, trat nun deutlich an die Oberfläche und gab ihm einen eigenartigen, wilden Charme. Doch auch das Bedrohliche, was von ihm ausging, hatte sich um ein Vielfaches potenziert und seine bloße Nähe ängstigte mich. Ein Mann wie er wollte siegen, immer und überall, und mit Schrecken dachte ich an die Duellforderung gegenüber Amadeus. Auch Utz hatte sie nicht vergessen, denn als er mich zu einem Wiener Walzer auf die Tanzfläche bat, da besaß er die Frechheit zu fragen: »Und der Herr Galan und Ehebrecher? Seht Ihr ihn noch, Gnädigste, oder habt Ihr ihm getreu meiner Anweisung den Laufpassgegeben? Was ich doch hoffen möchte. Gesteht es frei, ich bin in guter Laune und bester Kondition und hätte, falls er mich weiterhin verhöhnt, durchaus die Lust auf einen kleinen Waffengang.«
    Ich zuckte in seinen Armen zusammen, was ihm nicht entgehen konnte, und so beteuerte ich sofort, dass ich ihm immer treu gewesen sei, weil ich mich ja so herzlich um das Kind bekümmern würde, und den Herrn Leutnant nicht einmal mehr von Ferne auch nur erspäht hätte. Und unter der ärgsten Selbstverbiegung, die mir möglich war, fügte ich in der Hoffnung, dass er mir meine Lüge glauben möge, hinzu:
    »Auch sind die Herren Offiziere leider immer nur auf Abenteuer aus. Sicher ist ihm bereits ein anderes unschuldiges Ding in die Falle gegangen. Nie wieder würde ich Euch solchen Kummer machen.«
    Er griff mich fester um die Taille, als er mich gegen den Takt durch den Saal schwenkte. »So ist es brav«, sagte er selbstgefällig. »Ich wusste doch, mein Wort gilt überall, nicht nur in Afrika.« Das mochte er von mir aus gerne glauben, Hauptsache, er verlor das Interesse, sich mit Amadeus zu duellieren.
    Ich erwartete nun zitternd jeden Moment die Ankündigung, dass er mich bald in Blankensee besuchen kommen wollte, um sein Kind zu sehen, aber dazu sagte er nichts und führte mich nach diesem Tanz wieder zu Vanderborg.
    »Eure Tochter hat an Schönheit gewonnen durch das Kind«, machte er diesem ein Kompliment, um es sogleich durch die folgende Aussage wieder zu relativieren: »Nur schade, dass es kein Junge ist.«
    Ich war mit meinen Nerven am Ende und darum froh, dass Vanderborg ebenfalls aufbrechen wollte. So fuhrenwir zusammen in die Brüderstraße, während Friedrich sich in die Garnison aufmachte, um Amadeus Bericht zu erstatten.
    Es hätte schlimmer kommen können, aber wir mussten dennoch auf der Hut sein; jetzt, wo Utz wieder in Deutschland war, würden unsere Treffen einer beständigen Bedrohung ausgesetzt sein. Ich weinte lange in dieser Nacht, denn die familiäre Gemeinsamkeit mit Amadeus auf Blankensee schien vorüber. Nie war ich glücklicher, als in dieser Zeit, in der Amadeus mich auf den Flügeln seiner Liebe durch das Leben trug.
    Das Ende kam tatsächlich schnell. Amadeus ritt zwar noch einige Male zu mir heraus, doch schließlich verbot ich es ihm.
    »Es ist zu gefährlich, Liebster. Ich traue auch dem Radke nicht über den Weg; wenn Utz ihn auf uns angesetzt hat, wird er Blankensee gewiss überwachen.«
    So verabredeten wir, uns wieder in Berlin zu treffen, wohin ich ab und an ohnedies zur Nahrungsbeschaffung reisen musste.
    »Wenn Friedrich uns ein Alibi gibt, ist es weniger gefährlich als hier auf dem Gut, wo es ganz offensichtlich wäre, dass du nur meinetwegen herauskommst.«
    Amadeus sah das ein, und so endete vorerst unser Idyll auf dem Land und wurde abgelöst von heimlichen und ebenfalls nicht ungefährlichen Begegnungen in der Stadt.

    B erlin entwickelte sich mehr und mehr zu einem Moloch mit unglaublich vielen Menschen, und jedes Mal, wenn ich Vanderborg besuchte, um von meinem Zimmer aus auf Blutopfersuche zu gehen, war ich froh, dassAmanda in der

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