Die dunkle Chronik der Vanderborgs - Estelle
Liebe zwingt all uns nieder, das Leid beuget gewaltiger …
Ich hatte es nicht anders verdient und so ergab ich mich wie schon so oft in meiner vierhundertjährigen Existenz erneut in die unausweichliche Tragik meines Schicksals.
Es dauerte fast eine Woche, bis Amadeus und Friedrich mich in meinem Verlies fanden. Sieben Tage, an denen mich Utz, so wie es ihm in den Sinn kam und nach seiner Laune, quälte. Ging es ihm nur um ein kurzes Vergnügen, hielt er mir das Kruzifix vor und weidete sich an meinen Krämpfen, bis mir der Schaum vor den Mund trat und ich nahe daran war, meine Seele auszuhauchen. War er betrunken und voll Hass auf Amadeus, ließ er mich von Radke, der nun zu seinem engsten Vertrauten und Folterknecht aufgestiegen war, zu sich bringen und mir vor seinen Augen mit allerlei Folterwerkzeug Gewalt antun. Am liebsten aber quälte er mich doch alleine mit Perversion und ausgeklügelter Perfidie, bis ich ohnmächtig zusammenbrach. Doch weil er bald merkte, dass die Wunden, die er mir zufügte, anderentags stets weitgehend verheilt waren, stellte ihn diese Art der Quälerei nicht mehr zufrieden, und da ich durch das Vegetieren im Kohlenkeller verdreckt,besudelt und eklig für ihn war, konnte er mich nicht mehr in seiner Nähe ertragen. Er dachte sich also eine neue Perfidie aus und begann vor die Luke meines Gefängnisses im Kohlenkeller Spiegel aufstellen zu lassen und mit ihnen gezielt das Licht der Sonne in mein düsteres Gefängnis und auf mich zu lenken, sodass es meine Haut verbrannte. Ich verkroch mich in den hintersten Winkel, wälzte mich im Kohlenstaub – vergebens. Das Sonnenlicht erreichte mich dennoch und kein Klagen und auch nicht das verzweifelte Wimmern, als ich sah, wie sich von meinen Beinen die Haut in Fetzen schälte, nicht das Eingeständnis meiner Schuld und das Flehen um Gnade erweichten sein Herz. Und weil weder Amadeus noch Friedrich mir zur Hilfe kamen, sehnte ich nur noch den Augenblick herbei, wo mich endlich die Sonne am ganzen Körper treffen würde, damit ich zu Staub wurde und endlich ausgelitten hatte.
Ich war bald vollkommen entkräftet und von einem unbeschreiblichen Durst gequält, und als die Ratten begannen dies auszunutzen und an mir zu nagen, ergriff ich eine von ihnen mit letzter Anstrengung, biss ihr in ihren widerlichen Hals und saugte ihr bitteres Blut, während sie sich mit schrillen Schreien in meinen Händen wand. Mein Ekel vor mir selbst war genauso groß wie vor der Ratte, und ich wünschte mir nichts sehnlicher, als endlich sterben zu dürfen.
Es war in einer klaren Mondnacht, als sich der Schlüssel in meiner Gefängnistür drehte und ich mich bereit für neue Folterqualen machte. Doch nicht Radke oder Utz standen in der Türöffnung, sondern Amadeus und Friedrich. Bei meinem Anblick kamen beiden die Tränen und Amadeus zog seinen Rock aus, um meine von einemdünnen Hemd nur notdürftig verhüllte Blöße zu bedecken. Ich zitterte am ganzen Leib und war kaum in der Lage zu gehen, so nahm mich Amadeus auf die Arme und trug mich die Kellertreppe hinauf zum Dienstboteneingang, wo mein vertrauter Kutscher Mathias bereits auf dem Bock auf uns wartete. Die Pferde schnaubten leise, und vorsichtig setzte mich Amadeus in die Kutsche, doch als er und Friedrich zu mir steigen wollten, ertönte ein Schuss und traf den Kutscher, der ohne einen Laut in sich zusammensank und vom Sitz fiel. Friedrich schwang sich auf den Bock, aber noch ehe er den Zügel aufgenommen hatte, versperrte Radke ihm mit dem Automobil den Weg. Gleichzeitig dauerte der Beschuss der Kutsche an, und so musste Friedrich den Kutschbock verlassen und hinter unserem Gefährt Schutz suchen. Es knallte noch einige Male, doch dann kam Utz in der Überzeugung, sowohl Friedrich als auch Amadeus erledigt zu haben, aus seinem feigen Hinterhalt hervor, um mich aus der Kutsche zu zerren. Im selben Moment stürzten sich Friedrich und Amadeus auf ihn. Auch Radke mischte sich in das Handgemenge und schlug Friedrich brutal mit einem Stein nieder. Als es gar nicht gut für meine Retter aussah, schrie ich in höchster Verzweifelung: »Beiß ihn, Amadeus, beiß ihn!«
Doch da er mich nicht zu hören schien, taumelte ich aus der Kutsche, um ihm zu helfen. Leider dem Utz direkt in die Arme.
Mich im Würgegriff seines ärgsten Feindes zu sehen, trieb Amadeus noch einmal an. Er stürzte sich mit einem wilden Schrei auf Utz und biss ihn tatsächlich von hinten in den Hals, doch ehe er noch richtig an ihm saugen
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