Die dunkle Chronik der Vanderborgs - Estelle
das wäre ja vergebene Mühe, nicht wahr, Estelle, oder sollte ich Eleonore sagen? Die Todesstrafe schreckt dich als Vampirin ja nicht, solange man dir nicht gleichzeitig durch dein kaltes Herz einen Pfahl stieße oder in der gleißenden Mittagssonne den Galgen aufstellte, an dem du baumeln sollst. Hast du geglaubt, du könntest mir meine Geliebte ermorden und straflos davonkommen? Wie dumm du bist und wie wenig du begriffen hast, dass Chantal mein Leben war! Seit ihrem Tod ist Radke auf der Spur und ich habe ihn fürstlich dafür bezahlt, damiter ihren Mörder oder, wie wir nun wissen, ihre Mörderin, ans Messer meiner Rache liefert. Der Lohn ist gut verdient und du wirst büßen für deine Verlogenheit, Untreue und vor allem für die Bosheit, mit der du mir die Frau genommen hast, die mich als einzige verstanden und geliebt hat.«
Er sagte nicht, dass auch er sie geliebt hatte, aber sein Blick, in dem der Hass gewaltig aufglühte, war eine einzige zügellose Liebeserklärung an Madame Chantal, deren Tod ich nun noch mehr bereute. Doch hatte mir das Schicksal keine Wahl gelassen. Sie oder ich, hieß das Gesetz der Gejagten und so war es in seiner unausweichlichen Tragik bestimmt.
Ohne Vorwarnung zog Utz plötzlich ein Kruzifix aus seiner Rocktasche und hielt es mir entgegen.
»Na, schmerzt es dich, den Heiland für uns Menschen leiden zu sehen und zu wissen, dass er deinesgleichen nicht erlöst hat und du der ewigen Verdammnis preisgegeben bist?«
Er kam näher und immer noch hielt er das Kruzifix vor sich, sodass ich ihn nicht angreifen konnte, sondern, von Krämpfen geschüttelt und geschwächt von schrecklichen Schmerzen, auf die Knie sank. Mit hartem Griff packte er mich an der Schulter und drückte mich zu Boden, das Gesicht in meine Aufzeichnungen. Er berührte mich mit dem Kruzifix und ich schrie in höchster Qual auf.
»Jetzt also windest du dich wie ein Wurm, wo ist dein Stolz, mit dem du mich von deinem Lager verstoßen hast, weil du mir angeblich die käuflichen Weiber nicht verzeihen konntest? Fein ausgedacht, mein Liebchen, mich aus dem Bett zu werfen, um darin Platz für deinen Liebhaber zu schaffen!«
Er war hochrot im Gesicht angelaufen und vor Zornund Demütigung so erregt, dass ich glaubte, es mit einem Wahnsinnigen zu tun zu haben. Dem glich auch sein Verhalten, denn er begann nun nach mir zu treten und trieb mich mit seinen Tritten auf Knien und Armen kriechend durch den Raum, bis ich schließlich zerstört aus Nase und Mund blutend am Fuß des Bettes liegen blieb, zu keiner Bewegung fähig, mehr tot als lebendig.
Nicht einmal ein Wimmern rang sich noch über meine Lippen, als mich sein Schuh ein letztes Mal traf. Und da ihm das die Freude an der Quälerei schmälerte, ließ er schließlich von mir ab, setzte sich auf den Rand des Bettes und starrte mit irrem Blick auf mich herab. Als er sprach, war seine Stimme leise und gefährlich sanft.
»Ich weiß, ich kann dich so nicht töten«, sagte er. »Ich will es auch nicht, denn der rasche Tod wäre eine viel zu milde Strafe für deine Verbrechen gegen mich …«
Er hielt inne und schwieg eine Weile, in der ich mich fragte, was er nun wohl mit mir vorhatte, und ich flehte das Schicksal um Zeit an, damit der Kutscher Amanda in Sicherheit bringen und mir Friedrich und Amadeus zur Hilfe holen konnte. Sie wurde mir gewährt. Utz stand auf, griff mir in die Haare, zerrte mich brutal hoch und hinter sich her, als er mein Zimmer verließ. Ich kam durch Schmerzen und Krämpfe geschwächt nicht schnell genug auf die Füße und so schleifte er mich durch den Flur, die Treppe hinunter bis in den Keller, wo er mich in ein niedriges Verlies im Gewölbe stieß, in dem Koks gelagert wurde. Ich stürzte in den schwarzen Staub, der in einer dunklen Wolke aufstob, die mir Sicht und Atem nahm. Den Tränen nahe keuchte ich unter einem Erstickungsanfall, als krachend die schwere Eisentür ins Schloss fiel. Der Schlüssel wurde herumgedreht und die auf dem Steinboden hallenden Schrittemeines Peinigers entfernten sich. Ich war allein in Schmutz und Finsternis. Niedergetreten und zerbrochen. Vor mir ein ungewisses Schicksal als Gefangene meines eigenen Ehemannes, dessen Hass mich langsam und grausam zerfressen würde.
Ich weinte bittere Tränen, doch ich wusste zugleich, dass ich wissentlich gegen Moral und Sitte verstoßen hatte und mich nun, wie ich lange befürchtet hatte, die Gerechtigkeit durch seine Rache einholte.
Größeres wolltest auch du, aber die
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