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Die dunkle Chronik der Vanderborgs - Estelle

Die dunkle Chronik der Vanderborgs - Estelle

Titel: Die dunkle Chronik der Vanderborgs - Estelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bianka Minte-König
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neuerdings unter Strom? Doch nur, weil die Elektrizität in ihren Gehirnen etwas anstellt, was ihr Verhalten ändert.«
    Er schaute mich liebevoll an, worauf Hansmann nur trocken meinte: »Dann hoffen wir mal, dass der Strom Estelles Kopf nicht allzu sehr durcheinandergebracht hat und sie sich recht bald wieder in ihr normales Leben findet. Es wäre schlecht, wenn sich die Leute auch noch über ihre Absonderlichkeiten das Maul zerreißen würden, Vaters Vampirmaschine gibt dafür schon Anlass genug. Meinem Geschäft ist so etwas nicht zuträglich, denn von einem Kaufmann erwartet man etwas mehr Gediegenheit.«
    Friedrich und ich schauten uns angesichts dieser für Hansmann ungewöhnlich deutlichen Worte vielsagend an. Da hatte er ja mal die Katze aus dem Sack gelassen und zugegeben, dass er die Erfindungen des Vaters für nichts als faulen Zauber hielt.
    »Nur ein seriöses Geschäft wird auf Dauer seinen Mann und eine Familie ernähren«, ergänzte er denn auch passenderweise.
    Ich verkniff mir genau wie Friedrich ein Lächeln und sagte, so ernsthaft es mir möglich war: »Ja, Hansmann, da hast du freilich recht, und ich bin froh, dass einer aus der Familie ein so guter Geschäftsmann ist und mit einer ehrbaren Tätigkeit sein Geld verdient. So kannst du deine Schwester unterhalten, wenn es einmal mit der Magie und den Erfindungen zu Ende gehen sollte.«
    Was ich jedoch kaum annahm.
    Hansmann reagierte einerseits stolz, andererseits jedoch, was die Bürde einer unverheirateten Schwester, die er zu versorgen hätte, anbetraf, eher ablehnend.
    »Wo du es ansprichst, Estelle. Es wäre in der Tat an der Zeit, dass du dem Gedanken an eine Heirat nähertrittst. Die Ballsaison beginnt in Kürze, und da du im besten heiratsfähigen Alter bist, sollte es dir Pflicht und Vergnügen sein, dich in diesem Herbst nach einer guten Partie in der Berliner Gesellschaft umzusehen.«
    Ich fand den Gedanken zwar auch befremdlich, aber Friedrich wies ihn mit einer Entschiedenheit zurück, die mich verwunderte.
    »Sie wird das tun, was sie für richtig hält«, sagte er brüsk und zu mir gewandt meinte er: »Denk nicht, dass wir dich aus dem Hause haben wollen. Eher wäre es an der Zeit, dass Hansmann geht und sich eine Wohnung über seinem Laden nimmt, statt weiter dem Vater die Miete schuldig zu bleiben und sich auf Kosten seines doch so unseriösen Gewerbes durchzuschlagen.«
    Das war ein deutlicher Affront und ich konnte nicht einmal nachvollziehen, wie es zu dieser Eskalation zwischen den Brüdern gekommen war. Sie stritten doch nicht um meinetwillen? Nein, taten sie wohl nicht. Es war ein grundlegender Dissens, der zwischen ihnen herrschte und der nur durch mich wieder an die Oberfläche gekommen war, wie ich bald deutlicher erfahren sollte.
    Hansmann jedenfalls schien Friedrichs Meinung in dieser Sache nicht neu zu sein, denn er warf mit kalter Arroganz ein: »Nur keine Sorge, kleiner Bruder, alles schon in der Planung. Du musst mich nicht mehr lange in diesem Haus ertragen. Im Gegensatz zu eurem – ich darf es wohl so sagen – desaströsen Misserfolg prosperiert meinKolonialwarenhandel auf das Erfreulichste und ernährt schon lange seinen Mann. In Kürze werde ich mein Geschäft in der Tat in eine bessere Gegend verlegen und eine Wohnung über den Geschäftsräumen beziehen. Zur Stunde wird zeitgemäß renoviert, und so es beliebt, seid ihr zur Besichtigung gerne eingeladen. Man sieht sich.«
    Mit diesen Worten drehte er sich um und ging mit durchgedrückten Schultern und übertrieben aufrechter Haltung aus dem Salon. Sein Kreuz war breit und er neigte wie viele Berliner Geschäftsleute zur Fülligkeit um die Körpermitte. Vermutlich ein Zeichen, dass seine Geschäfte sich tatsächlich gut entwickelt hatten.
    Schlimmer als Hansmann war jedoch, was von meinem vampirischen Wesen den Blitzschlag überdauert hatte. Besonders die Empfindlichkeit der Vampire gegen das Sonnenlicht schien ich wie einen hartnäckigen Bazillus in Estelles Körper eingeschleppt zu haben. Die Helligkeit des Tages vom Sonnenaufgang bis zu ihrem Untergang war mir bald wie Ätzsalz auf der Haut, verursachte Blasen und Verbrennungen und ließ mich in mein abgedunkeltes Privatgemach fliehen, wo ich mich vergrub und dahindämmerte, bis die Dunkelheit hereinbrach. Zwar heilten die minderschweren Verbrennungen dank meiner noch immer vorhandenen Selbstheilungskräfte meist über Nacht, aber es blieben doch auch häufig sichtbare Narben zurück, die erst allmählich

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