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Die dunkle Chronik der Vanderborgs - Estelle

Die dunkle Chronik der Vanderborgs - Estelle

Titel: Die dunkle Chronik der Vanderborgs - Estelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bianka Minte-König
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marchons!
    …«
    Es war ein erhebendes Gefühl. Am Ende jedoch fiel Friedrich einfach um und stürzte mit dem Gesicht in die Blumenrabatte vor dem Denkmal.
    Das war an sich noch kein Drama und ich hätte ihn dort in Ruhe seinen Rausch ausschlafen lassen, wenn nicht all die Leute um uns herumgestanden hätten und nicht zu allem Unglück bereits die Dämmerung hereingebrochen wäre und sich der Sonnenaufgang mit immer heller werdendem Licht drohend am Horizont angekündigt hätte.
    So rüttelte und zerrte ich an Friedrich und versuchte ihn wieder zu Bewusstsein zu bringen.
    »Friedrich, jetzt hör doch, steh auf, ich muss zurück! Du weißt doch, dass das Tageslicht mich schmerzt! Hast du kein Herz mehr für deine Schwester? Hast du es zusammen mit deinem Verstand im Alkohol ertränkt?«
    Er kam kurz zu sich, rappelte sich aus dem Blumenbeet und saß einen Moment orientierungslos auf dem Boden. Dann kicherte er schrecklich albern und lallte: »Ne, ne, nein, mein Schatz … aber du hast recht … meinem Herzen geht es gar nicht gut … es sehnt sich nach Liebe … genau wie mein …«
    Er schaute hinunter auf seine Hose, die sich zwischen den Beinen gerade dunkel einfärbte. Ob dieser Anblick ihn umwarf oder doch nur der Alkohol, ich vermochte es nicht zu sagen. Jedenfalls brach er erneut zusammen, worauf mich nun doch ernstliche Panik befiel, zumal die Umstehenden inzwischen sehr wohl mitbekommen hatten, dass wir Deutsche waren. Hoffentlich glaubten sie nun nicht, wir hätten ihren Nationalstolz in den Schmutz ziehen wollen.
    Ich kniete mich also hektisch neben Friedrich, richtete seinen Oberkörper mühsam und ungeduldig auf und flehte ihm ins Ohr: »Friedrich, du darfst nicht schlappmachen. Wir müssen zurück, es wird Tag … die Sonne … Wir können hier nicht bleiben …«
    Ich bin in Todesgefahr, hätte ich ihm ins Gesicht schreien mögen, aber er hätte es ja ohnehin nicht verstanden. Wie sollte er auch wissen, dass ein Vampir im Sonnenlicht zu Staub zerfällt!
    Panisch schaute ich mich nach einer Kutsche um, erblickte jedoch nur die stummen, interessiert schauenden Gesichter der Franzosen.
    Mein Versuch, Friedrich hochzuheben, scheiterte, so zerrte ich ihn schließlich wie einen Sack Kartoffeln einStück die Gasse entlang, was mir sofort unangenehm wurde, als ein paar Franzosen der werktätigen Klasse lachend hinter uns herkamen. So herausgeputzt und betrunken, wie ich und Friedrich waren, boten wir vermutlich in der Tat einen lächerlichen Anblick, weshalb ich die Situation nun nicht mehr nur beängstigend fand, sondern auch zutiefst beschämend. Dennoch, ich hatte keine Wahl. So zog ich Friedrich ein paar Francs aus der Tasche und hielt sie einem der Arbeiter, der recht kräftig gebaut war, hin und stammelte, mein bei Marat gelerntes Revolutionsfranzösisch hervorsuchend: »Pardon, Messieurs … merci … Monsieur est malade …!«
    Alle lachten und der junge Prolet fragte sofort: »Wo soll er denn hin?«
    Ich nannte die Adresse, und weil es wohl eine eher ärmliche Gegend war, in der wir logierten, schleppten sie Friedrich zusammen dorthin, lehnten aber jede Bezahlung ab.
    »Bonne nuit, Madame! Au revoir!«, sagten sie und legten Friedrich vor der Tür im Souterrain ab.
    »Merci!«, rief ich ihnen nach und zerrte Friedrichs schlaffen Körper kurz vor dem ersten Sonnenstrahl in unsere Kammer. Dort wuchtete ich ihn auf das Bett, ließ völlig erschöpft mein Kleid zu Boden gleiten und legte mich nur in Unterröcken und Mieder neben ihn.
    Als ich nach einer Weile wieder zu Kräften gekommen war, setzte ich mich auf und betrachtete Friedrich, in dem ich nun doch alles andere als einen Bruder sah. Er roch nach dem Absinth, den er reichlich genossen hatte, und atmete ein wenig schwer. So zog ich ihm den Rock aus und befreite ihn von Stehkragen und Fliege. Als ich ihm auch noch das Hemd vom Leibe zog, stöhnte er auf und griff nach meiner Hand.
    Er führte sie mit geschlossenen Augen zu seinem Munde und drückte einen Kuss darauf. Dann zog er mich näher an sich, sodass ich eng an seinem halb nackten Oberkörper zu liegen kam. Seine Brust war sehr weiß und nur wenig behaart, und als ich darüberstrich, fühlte es sich an wie Kükenflaum. Wie jung er doch war mit seinen knapp zwanzig Jahren.
    Ich begann ihn mit den Fingern zu liebkosen, umspielte seine Brustwarzen … es lockte mich, seine weiße, glatte Haut zu küssen … doch ich schreckte wiederum auch davor zurück. Zu groß war meine Sorge, weder das

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