Die dunkle Chronik der Vanderborgs - Estelle
still«, riet sie mir. »Ich habe zu tun. Wenn die Soldaten gesättigt sind und schlafen, werde ich mich um dich kümmern.«
Sie ging nun ebenfalls mit Essen und Wein herum, und wenn ihr einer der zunehmend betrunkener werdenden Soldaten unter den Rock schauen wollte, trat sie ihn nicht eben zimperlich mit dem Fuß oder gab ihm mit der Hand eine Maulschelle ins Gesicht. Alles jedoch mit einem Lachen, sodass man ihr die Grobheit gerne verzieh.
Die Erschöpfung der Flucht in den Knochen war ich ein wenig eingenickt, als Musik von Flöten und Klappern mich weckten. Die Weiber tanzten um die Feuer und die noch nicht völlig betrunkenen Männer klatschten im Takt dazu. Dann verloschen allmählich die Flammen, das Holz verglimmte und die Mädchen verschwanden mit den Männern hinter den Wagen oder im Gebüsch.
Es war der Moment, als Anna wie angekündigt zu mir zurückkam.
»Was also genau ist Euer Geschäft?«, fragte ich und hörte, dass die Weiber mit dem Soldatentross durch die Lande zogen und ihnen als Marketenderinnen und Huren zu Diensten waren. Wobei man sich wohl nicht aussuchen konnte, welcher Dienst gerade gefordert war.
Mir wurde übel bei dem Gedanken, als Anna leise meinte: »Unser Junker hat ein Auge auf dich geworfen, wie es scheint, das heißt, kein anderer wird wagen, seine Hand an dich zu legen. Bist du klug, so dankst du es ihm durch deinen Liebesdienst.«
Sie griff nun auch nach meinem Kinn und drehte mein Gesicht ins Licht des Mondes.
»Du bist schön und wild und führst dich dennoch auf wie eine Jungfrau, das passt nicht ganz zusammen. Willst du mir sagen, was dich hierherverschlagen hat?«
Ich schüttelte den Kopf, doch um sie nicht zu erzürnen, sagte ich leise: »Ein schweres Schicksal und Fürsten Willkür zwangen mich zur Flucht aus meiner Heimat. Je weiter weg ich fliehe, umso besser. Wohin geht dieser Zug?«
»Ich weiß es nicht genau«, antwortete sie und streifte mich mit mitleidigem Blick. »Es heißt, gegen die Evangelischen im Sächsischen, vielleicht sogar nach Magdeburg an der Elbe, einer reichen Kaufmannsstadt.« Sie lachte. »Das wäre mal ein guter Fischzug. Entweder ein hoher Tribut oder beim Plündern reiche Beute.«
Ich kannte den Ort nicht und wusste auch nichts vom Krieg zwischen den Katholiken und den Protestanten, aber ich verstand, dass diese Söldner nicht nur ihr Sold, sondern vielmehr noch die Hoffnung auf reiche Kriegsbeute zusammenhielt und gemeinsam gen Sachsen trieb.
Und da ich keine bessere Möglichkeit hatte, dem Einflussbereich des Landgrafen von Przytulek zu entfliehen, schloss ich mich der Truppe an und vertraute auf den Schutz des Junkers Zoltán Radoczki, eines ungarischen Landadeligen, der im Dienste der Habsburgermonarchie stand und mit seinen Soldaten auf dem Weg war, die stolze Stadt Magdeburg in Schutt und Asche zu legen.
Wir erreichten Magdeburg am Vorabend des Sturms.
Ja, es schien fast so, als hätte man nur noch auf uns gewartet, um endlich eine Belagerungsstärke von dreißigtausend Mann zu zählen und losschlagen zu können.
Vier Tage und Nächte wüteten die katholischen Heere. Die Luft war schwarz vom Qualm der brennenden Stadt, und der Rauch stach beißend in den Augen und Lungen auch der Belagerer und die Ohren schmerzten von dem Lärm der Kartätschen und den Schreien der dreißigtausend Eingeschlossenen, von denen bald an die zwanzigtausend wie auf einem riesigen Scheiterhaufen qualvoll starben.
Wir hielten uns Tücher vor Mund und Nase, um den ekligen Geruch des brennenden Fleisches zu dämpfen, aber es war unmöglich, ihn von sich fernzuhalten. Er lag wie eine dichte Nebeldecke über der Stadt und dem Schlachtfeld und drang in jede Pore. Dessen ungeachtet zogen die Söldner immer noch marodierend durch die Stadt und metzelten auf der Suche nach Kriegsbeute alles nieder, was noch Leben zeigte, egal ob Mann, Weib oder Kind, und auch vor dem Viehzeug wurde nicht haltgemacht. Brennende Hühner flatterten über die Stadtmauer und f ielen verkohlt vor die Füße der Soldaten, die sie aufbrachen und das weiße Brustfleisch in sich hineinstopften, bevor sie selbst vom Schuss einer Muskete zerfetzt wurden und den Blutacker vor der Stadtmauer mit ihren verspritzenden Körpersäften tränkten. Aber das war Soldatenschicksal und nichts gegen das, was in der Stadt ihren verzweifelten Bürgern an Gräueln angetan wurde.
Wir hörten, dass die Off iziere verschiedener Truppenteile, darunter unser Junker, den katholischen Oberbefehlshaber
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