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Die dunkle Chronik der Vanderborgs - Estelle

Die dunkle Chronik der Vanderborgs - Estelle

Titel: Die dunkle Chronik der Vanderborgs - Estelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bianka Minte-König
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in die Wälder gen Norden geflohen, wohin mir niemand folgen würde, denn sie standen im Ruf, unheimliche Wesen zu beherbergen, die den Menschen bei lebendigem Leib das Herz aus der Brust reißen würden, um es sogleich roh und warm zu verschlingen. Ich selbst fürchtete sie nicht, denn ich hielt sie für ein Legende, welche die Landgrafen von Przytulek hatten ausstreuen lassen, damit nicht Wilderer in ihren gräflichen Wäldern dem Wildbret nachstellten, ein durch die überall grassierende Hungernot fleißig geübtes räuberisches Handwerk.
    Doch auch ohne die Herzfresser waren die Wälder voller Gefahren und die größte unter ihnen war die allerorten durch die Lande ziehende Soldateska aus marodierenden Söldnern mit ihrem Tross von Huren und Marketenderinnen.
    Ich hatte mich ins Böhmische durchgeschlagen, als ich naheeiner Heeresstraße in einen solchen Haufen geriet, der sich im Sold des katholischen habsburgischen Kaisers nach dem Sächsischen begab, um dort vor der protestantischen Stadt Magdeburg stehende Heere zu verstärken.
    Im offenherzigen Kleid der gräflichen Buhlschaft, mit ihrer drallen Körperlichkeit, und den flammend roten Haaren versuchte ich vergebens mich unsichtbar durch ihre Reihen zu schleichen.
    Gleich zu mehreren f ielen sie mich an, rissen die Pluderhosen auf und suchten sich an mir zu befriedigen, als eine klare herrische Stimme ihnen Einhalt gebot.
    Ich stürzte zu Boden, und während ich mich wieder aufrappelte und mich nach meinem Retter umschaute, f iel mein Blick auf einen stattlichen Off izier in Wams und Hosen aus kostbaren Stoffen, einem prächtigen Kragen und einem breitkrempigen Hut mit mächtiger, wippender Feder. Er hatte Sporen an den Stiefeln und hielt ein Pferd am Halfter.
    »Runter von dem Weib!«, verlangte er erneut und trat dann näher zu mir.
    »Wer ist Sie?«, fragte er mich und weil ich die Situation nicht so rasch zu erfassen vermochte, schwieg ich verstört mit niedergeschlagenem Blick.
    »Will Sie nicht reden oder kann Sie nicht?«, setzte er nach und führte mir seine Reitgerte unter das Kinn, um meinen Kopf damit ein wenig anzuheben, sodass ich ihm in die Augen sehen musste. Sein Haar unter dem Hut war voll und dunkelbraun wie auch der spitze Bart, den er am Kinn trug. Wache Augen unter buschigen Brauen leuchteten in intensivem Blau und eindringlich forschte sein Blick, dem ich mich kaum entziehen konnte.
    Wie ein Kaninchen von der Schlange fest gebannt hockte ich im Staube und sah zu ihm auf.
    »Wo kommt Sie her, wo will Sie hin?«, fragte er weiter, und um nicht als taubstumm zu gelten, öffnete ich schließlich doch den Mund und stammelte ohne Sinn und Verstand: »Von irgendwo nach nirgendwo …«
    Er lachte ein dröhnendes Lachen und meinte dann sichtlich amüsiert: »So ist sie scheinbar richtig hier.«
    Er winkte einem Landsknecht, wechselte ein paar Worte mit ihm, woraufhin dieser mir aufhalf, sodass ich dem Off izier nun wenigstens aufrecht gegenüberstand.
    »Will Sie mit uns ziehen?«, fragte er mich, und da mir kaum eine Wahl blieb, nickte ich stumm.
    Er betrachtete mich mit sichtlichem Wohlgefallen, um dann sehr laut und streng zu verkünden: »Das Weib steht unter meinem Schutz, wer sie berührt, ist des Todes.«
    Zwar hörte man ein leises Murren, aber da die Soldateska in seinem Sold stand, fügte sie sich.
    Von irgendwoher tauchte ein Weib auf, welches zweimal so dick wie ich und in ein noch freizügigeres Gewand gekleidet war. Ihr Name war Anna und der Off izier gab mich in ihre Obhut.
    »Habt ein Auge auf sie, Anna«, befahl er mit milder, dunkler Stimme, »und lehrt sie Euer Geschäft. Es fehlt ihr nicht an Reizen, vielleicht hat sie ja auch einen Verstand.«
    Er lächelte und wandte sich zum Gehen, während Anna mich am Arm ergriff und fortzerrte.
    »Du bist des Wahnes«, flüsterte sie mir zu, »als Weib alleine hier herumzuziehen. Die ungarischen und polnischen Söldner fackeln nicht lange. Sei froh, dass der Junker zur Zeit dazwischenkam.«
    Sie schubste mich zwischen den Soldaten hindurch zu einem Platz, auf dem einige mit Planen bedeckte Wagen, behängt mit Pfannen und Töpfen, zu einer Wagenburg zusammenstanden.In ihrer Mitte brannten Feuer und Hasen rösteten darüber am Spieß. Soldaten saßen darum herum, löffelten Suppe aus hölzernen Schalen und brachen sich Brot von riesigen Laiben. Weiber schenkten ihnen Wein aus Schläuchen in Lederbecher aus.
    Im Schatten eines Planwagens hieß Anna mich niedersetzen. »Verhalte dich

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