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Die dunkle Chronik der Vanderborgs - Estelle

Die dunkle Chronik der Vanderborgs - Estelle

Titel: Die dunkle Chronik der Vanderborgs - Estelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bianka Minte-König
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wenig Anstand besaß und mit seiner Konkubine über intime Details unseres Ehelebens sprach. Wie kompromittierend und was für ein Vertrauensbruch!
    Nach diesem Gespräch zitierte mich Utz anderentags in sein Herrenzimmer, das ich nur einmal kurz noch als seine Verlobte bei der ersten Hausbesichtigung betreten hatte. Ich empfand es schon damals als sehr beklemmend und auch jetzt drückte mich die Atmosphäre nieder, welche durch das viele Holz an Decke und Wänden und durch die sakral anmutenden Verglasungen der Bücherschränke hervorgerufen wurde. Es roch penetrant nach dem kaltem Rauch schwerer Zigarren, was bei mir direkt eine leichte Übelkeit erzeugte, wodurch ich nicht gerade in bester Verfassung vor den übergroßen Schreibtisch aus Eichenholz trat, hinter dem sich Karolus Utz in seinem gepolsterten Stuhl wie ein Richter ausnahm, der einem armen Sünder das Urteil zu sprechen gedachte. Ich war jedoch nicht gewillt, mir weiterhin seine Geringschätzung gefallen zu lassen, und so zwang ich mich, gegen die aufsteigende Übelkeit, Haltung zu bewahren und meine Reputation zu verteidigen. Ich hatte schon andere als diesen Utz bezwungen. Allein dieser Strauß war nicht leicht auszufechten. Kaum dass ich das Zimmer betreten hatte, herrschte er mich, ohne mir überhaupt erst einen Platz angeboten zu haben, in unfreundlichem Ton an:
    »Ihr haltet Euch also für die Herrin des Hauses, Verehrteste, und nehmt Euch das Recht heraus, meine Gäste zu maßregeln?«
    Mir war sofort klar, dass Madame Chantal ihm unserGespräch stante pede hinterbracht hatte. Nun galt es, ihm die Stirn zu bieten, wenn ich nicht wollte, dass sie mir in Zukunft weiter auf der Nase herumtanzte und – ich muss es gestehen – meine Eifersucht anstachelte.
    »Ihr seid nicht nur ein dummes, unreifes Geschöpf, das die Annehmlichkeiten, die ich Euch durch die Aufnahme in mein Haus biete, nicht zu schätzen weiß, Ihr seid auch noch überheblich und belästigt meine Gäste mit einer Arroganz, die Euch nicht zusteht.«
    In mir kochte die Wut hoch und ich wäre ihm gewiss mit tödlichem Biss an die Gurgel gegangen, wenn nicht der gewaltige Schreibtisch wie ein schützendes Bollwerk vor ihm gestanden hätte. So sagte ich nur, meinen Wutausbruch zügelnd: »Ich bin weniger unreif, als Ihr denkt, und kenne sehr wohl meine Rechte. Ich muss es nicht hinnehmen, dass Ihr mich in diesem Hause vor den Augen der Berliner Gesellschaft mit Eurer Geliebten kompromittiert!«
    Utz lehnte sich in seinen Armlehnstuhl zurück und lachte so laut und seinen ganzen Körper in Erschütterung versetzend, dass die goldene Uhrkette auf seinem Bauch zu tanzen begann.
    »So, Ihr wollt also den Aufstand proben? Nur zu! Was gedenkt Ihr, mir noch an den Kopf zu werfen? Ihr glaubt doch nicht ernsthaft, dass all das schwerer wiegt als Eure bis heute andauernde Weigerung, mit mir die Ehe zu vollziehen? Ich denke, ehe Ihr mir fremde Betten neidet, solltet Ihr mir erst einmal das Eure anbieten!«
    Es war zu erwarten, dass es darauf hinauslaufen würde, und dennoch fühlte ich mich, als stünde ich in einem Schwertkampf mit ihm und er hätte mir soeben das Schwert aus der Hand geschlagen. Lediglich der Schild blieb mirnoch, um mich dahinter zu ducken, wenn seine Hiebe auf mich niederprasselten. Aussichtslos, diesen Kampf noch zu gewinnen. Und so sagte ich in müder Abwehr und weil mir jetzt weniger denn je an dem Vollzug der Ehe mit ihm lag: »Solange Ihr mich mit käuflichen Damen beleidigt, sehe ich keine Veranlassung dazu. Ich erwarte von meinem Mann, wenn nicht Liebe, so doch Respekt und den, mit Verlaub, bleibt Ihr mir bisher schuldig.«
    Utz lachte nun nicht mehr, sondern beugte seinen Oberkörper weit über den Schreibtisch, um mir seine Sicht der Dinge ins Gesicht zu schleudern, wobei mir sein nach Rauch stinkender Atem wie ein bitterer Hauch von Verwesung entgegenschlug.
    »Ihr seid nicht nur dumm, Ihr seid auch frech und es macht mir keinen Spaß mehr mit Euch. Außerdem habt Ihr Euch sowieso nicht als die gute Investition erwiesen, die ich mir von dem Geschäft mit Vanderborg erhofft habe. Ihr seid ein Kind und lasst es an Stil und Lebensart fehlen, die meine Kunden aus dem Großbürgertum und dem Adel von meiner Frau erwarten dürfen. Zwar sprecht Ihr zu Madame Chantal von Eurem Haus, aber was habt Ihr dazu getan, dass es das Eure wird? Habt Ihr nur den bescheidensten Versuch gemacht, die Führung des weiblichen Personals zu übernehmen, den Festen und Empfängen Eure

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