Die dunkle Chronik der Vanderborgs - Estelle
war, als mich Amoz, der leicht perverse Dichter, dorthin geführt hatte, weil er da selbst umsonst ein Zimmer benutzen durfte, in dem er sich mit mir ein schnelles Vergnügen erträumte. Es hatte sein Leben nicht gerettet, und so wünschte ich mir, dass auch Utz eines Morgens tot im Bett dieser Madame Chantal liegen würde, was aber wohl nicht geschehen würde, wenn nicht ich selber mich dorthin begab, um ihm den Todeskuss zu geben. Dieser Gedanke kam mir nicht zum ersten Mal, da es im Grunde jedoch gut so war, wie es jetzt stand zwischen uns, und niemand die Kuh schlachtete, die ihm so reichlich Milch gab, hatte ich mich diesbezüglich zurückgehalten, um vor allem Vanderborg und Hansmann weiter in den Genuss seines Vermögens und seiner Beziehungen kommen zu lassen. Davon abgesehen mangelte es mir auch einfach an Gelegenheit, denn mein Ehemann verbrachte nur hin und wieder die Mahlzeiten mit mir und hieltansonsten – außer bei offiziellen Anlässen – wie gehabt Distanz.
Zunächst hatte ich noch den einen oder anderen Versuch gemacht, mit Utz zu einem gleichberechtigten Miteinander zu finden, aber als er mich nicht nur weiter ignorierte, sondern auch in der Öffentlichkeit ein äußerst herabsetzendes Verhalten zeigte, entschloss ich mich zur Gegenwehr.
Wenn ich für ihn die tugendhafte Hausherrin spielen sollte, dann hatte er mich auch entsprechend respektvoll zu behandeln. Das hieß zuerst einmal, dass er sein lasterhaftes Leben gerne im Geheimen, in Zukunft jedoch nicht mehr vor meinen Augen in unserem Hause zelebrierte. Allein von Erfolg war meine Intervention nicht gekrönt, vielmehr machte sie ihn nur noch frecher und rücksichtsloser.
Besonders mit dieser Madame Chantal schien er eine dauerhafte Liaison eingegangen zu sein, die mich zutiefst beleidigte.
Ich musste zugeben, dass sie von einer eigenartigen Schönheit war, die in ihrer untergründigen Wildheit zwar nicht dem Schönheitsidealen der Zeit entsprach, aber durch kosmetische Mittel von ihr so raffiniert domestiziert wurde, dass sie den Anschein erweckte, es doch zu tun. Mit Puder, Rouge und Kajal schminkte sie sich in die Epoche, obwohl sie mich mit ihrem hennaroten Haar und den üppigen Körperformen eher an die Buhlschaft des Grafen von Przytulek erinnerte, in deren erotischem Körper ich ja selbst jahrhundertelang gesteckt hatte, weshalb mir ihr Wesen sofort eigenartig vertraut war.
Die Eleganz ihrer Garderobe und ihr zunächst betont zurückhaltendes Auftreten täuschten mich darum nicht darüber hinweg, dass sie ein Feuer in sich trug, welches zweifellos das Tier in Utz ansprach und befriedigte.
Sie war sich ihrer körperlichen Reize wohl bewusst und brachte sie mit einer sehr planvoll eingesetzten extrovertierten Gestik auch zur Geltung. Utz schien zu ihr eine seltsam symbiotische Beziehung zu haben, die keiner Worte bedurfte. Betrat sie sein Haus, so war es das ihre, und der Mann, dem es gehörte, ebenso.
Nachdem ich die beiden das erste Mal zusammen gesehen hatte, war mir klar, dass Estelle zwischen ihnen nichts verloren hatte. Sie gehörte nicht hierher und Utz’ Einfall, sie unbedingt heiraten zu wollen, konnte nur einer unerfindlichen boshaften Laune des Schicksals entsprungen sein, aber nicht einem ureigenen Bedürfnis seinerseits. Und so schien er auch nicht im Mindesten gewillt, wegen unserer Heirat seine Affäre mit Madame Chantal einzuschränken, geschweige denn aufzugeben, was ich wohl oder übel hinnehmen musste.
Doch als er wieder einmal in unserem Hause zu einem Ball geladen hatte, auf dem er mit Madame Chantal, die offenherziger in ihrer Garderobe nicht hätte sein können, gar zu intim tanzte, war ich so erbost, dass ich mir die Dame beiseitenahm und versuchte sie in ihre Schranken zu weisen. »Madame, es ist mein Haus, in dem Sie sich befinden, und es ist mein Mann, mit dem Sie tanzen. Ich bitte Sie also mit Respekt um etwas mehr Zurückhaltung.«
»Nun, das sehe ich anders«, antwortete sie jedoch äußerst schnippisch, »nur weil er Ihnen angetraut ist, ist er doch nicht Ihr Mann. Soweit ich weiß, wurde die Ehe nie vollzogen …« Sie hob ihren schwarzen Fächer und hielt ihn vor ihr und mein Gesicht, als sie sich vertraulich mit dem Kopf zu mir beugte und flüsterte: »Warum wohl nicht? Lassen Sie mich raten, weil Sie ihn nicht in Ihr Bettchen lassen?«
Mir stieg die Schamröte heiß in die Wangen und ich war froh, dass ihr Fächer mein Gesicht verdeckte, wenngleich ich voller Zorn darüber war, dass Utz so
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