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Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Louisa

Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Louisa

Titel: Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Louisa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bianka Minte-König
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angespannte Stille. »Man hat mir angeboten, die Leitung zu übernehmen.«
    »Du meinst, eine Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft
?
Wird es enteignet
?
«
    »Ja. Man will mehr volkseigene Betriebe. Auf allen Ebenen. Aber wir dürften es bewirtschaften.«
    »Für dein glorreiches sozialistisches Vaterland
?
«
    »Das auch das deine ist, Lysette, und das unserer Tochter. Lass es uns tun und ein weiteres Kind kriegen.«
    »Damit es auch in eine sozialistische Kinderkrippe kommt und im strammen Geist des Sozialismus erzogen wird, von sozialistischen Kindertanten
?
Nein, danke!«
    »Darüber können wir ja noch mal reden, aber schlag Blankensee nicht aus, bitte. Es ist das Erbe deiner Familie. Deine Mutter hätte gewollt, dass du dort lebst, wenn es irgend möglich ist. Und es ist nun möglich. Durch einen Zufall habe ich davon gehört, dass ein Leiter für die Arbeitsbrigaden dort gesucht wird, und mich sogleich gemeldet.«
    »Sie werden mich dort nicht arbeiten lassen, wenn sie herausfinden, dass es eigentlich mir gehört.«
    »Es gehört Karolus Utz, jedenfalls steht er im Grundbuch. Niemand wir dich mit ihm in Verbindung bringen.«
    Ich lächelte gequält.
    »Für die Stasi sind wir doch alle aus Glas.«
    »Nicht alle … Die Tatsache, dass du nicht mehr in den Westen gehst, um frivole Lieder zu singen, sondern tätig den Aufbau unseres Staates in der Landwirtschaft unterstützt, wird dich zu einer Heldin der Arbeit machen. Ich wette, du stehst bald schon auf der Liste für die Ehrungen. Dann interessiert sich kein Spitzel mehr für dich.«
    »Was für ein langweiliges Leben, ich hatte mich schon so an meine Schatten gewöhnt … Wen soll ich denn nun aussaugen
?
«
    »Das will ich nicht gehört haben.«
    »Ich kann doch nicht das Kombinat entvölkern. Ohne Berlin komme ich in Schwierigkeiten …«
    »Wir finden einen Weg … Komm, sag ja.«
    »Ja … aber …«
    »Kein Aber!«
    »Ja, meinetwegen. Nur wegen der Familientradition der Vanderborgs.Und du hast recht, meine Mutter Amanda würde es freuen. Meinst du, das geheime Gewölbe ist unentdeckt geblieben
?
«
    »Wir werden es herausfinden.«
     
    Der Aufstand der Arbeiter wurde mithilfe der Roten Armee niedergeschlagen, und die Ängstlichen krochen in der Tat den Machthabern mit Solidaritätsadressen in den Hintern. Auch Brecht. Wir unterließen es. Wenn wir nach Blankensee gingen, konnte uns die Partei in der Hauptstadt ziemlich wumpe sein.
    Wir machten uns mit sozialistischem Gruß sozusagen auf Französisch davon. Sollten die doch selber ihre Zeche zahlen und auslöffeln, was sie sich eingebrockt hatten.
    Nur eins tat mir leid: dass der Westen Deutschlands nun noch ein Stück weiter von der DDR entfernt war. Wie eine unsichtbare Mauer stand die Ideologie zwischen den beiden deutschen Staaten. Es herrschte ein eisiges Klima, ein kalter Krieg der verfeindeten Brüder, wie bei Kain und Abel. Aber anders als in der Bibel wurde jeder der Brüder von seinem eigenen Gott geliebt.
    Die Westdeutschen von den Amerikanern und wir von den Russen. Wobei »geliebt« wohl übertrieben ist, »gebraucht« als Bündnispartner schon eher: revanchistische Kapitalisten gegen Bolschewiken …
    Hatten wir das nicht schon mal in den Zwanzigerjahren, und war nicht ein Krieg daraus geworden, der verheerender nicht hätte sein können
?
Und an dessen Ende die Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki gestanden hatten
?
Deutschland wird neue Armeen errichten, in der BRD und in der DDR. Wer will verhindern, dass Deutsche eines Tages aufeinander schießen müssen
?
?
     
    Lysette
     
     
    Ich schluckte und war so froh, dass Lysettes Befürchtungen sich als unbegründet erwiesen hatten, die Blöcke aufgelöst worden waren und Deutschland wiedervereinigt war.
    Amadeus war zu mir getreten und hatte über meine Schulter schauend mitgelesen. »Hast du herausgefunden, was du über deine Mutter Hannah erfahren wolltest?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Nein, aber sie sind inzwischen auf dem Gut. Es ist in eine LPG umgewandelt worden. Hast du das Schild an der Auffahrt gesehen? Das ist noch von damals, glaube ich. Roter Adler Blankensee .«
    Amadeus schmunzelte. »Wie patriotisch! Geht so nicht die Brandenburg-Hymne? Steige hoch, du roter Adler, hoch über Sumpf und Sand … «
    Ich stimmte mit ein: » Hoch über dunkle Kiefernwälder, heil dir, mein Brandenburger Land! «
    »Bravo!«
    »Wir haben es in der Grundschule gelernt.«
    »Sehr nützlich.«
    Das hatte er doch wieder mal ironisch

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