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Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Louisa

Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Louisa

Titel: Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Louisa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bianka Minte-König
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können, aber Mandy, Stefan und Thomas kasperten mal wieder nur herum. Marc redete über seinen Professor und erzählte, dass er ja morgen leider für eine Woche nach Berlin zurückmüsse, weil er Prüfungsaufsicht bei Examensklausuren hätte.
    »Du bist doch deswegen nicht böse, oder?«
    Offenbar war ihm meine Zurückhaltung doch aufgefallen, und um ihn nicht zu verärgern, lächelte ich so gewinnend wie möglich und versicherte ihm, dass ich es zwar wirklich schade fände, aber natürlich vollstes Verständnis hätte.
    »Der Job geht nun mal vor.«
    Er zog mich erleichtert in seine Arme und fing nun doch noch an zu knutschen. Er küsste wirklich gut, sehr angenehm und liebevoll, und es machte mir auch Spaß … Aber in meinem Hinterkopf bohrte das schlechte Gewissen, weil ich natürlich Vergleiche mit Amadeus anstellte und mit der leidenschaftlichen Glut, mit der er mich küsste, sodass mir alle Sinne schwanden und ich nichts mehr um mich herum wahrnahm. Das war ungerecht von mir, und Marc hatte das nicht verdient, denn Amadeus’ Liebe war nicht menschlich und darum auch nicht mit der Zuneigung eines Menschenvergleichbar. Aber Marc saugte wenigstens niemanden aus! Dennoch, zu einer großen Knutscherei war ich nach dem Streit mit Amadeus noch nicht aufgelegt.
    »Entschuldige mich bitte einen Moment«, sagte ich also, schob Marc sanft von mir und lief ins Haus.
    Im Flur zu den Toiletten stand unvermittelt Amadeus vor mir. Ich sah ihn wütend an. »Musst du jetzt unbedingt hier auftauchen?«
    »Musstest du ihn unbedingt küssen?«
    »Er hat mich geküsst!«
    »Als ob das einen Unterschied machen würde.«
    »Macht es. Wenn du den nicht erkennst, dann tut es mir leid. Lass mich vorbei, ich möchte auf die Toilette.«
    Er trat zur Seite. »Bitte, ich hoffe, es gruselt dich nicht zu sehr.«
    »Du bist widerlich!«
    »Fein, dann hast du ja noch einen Grund, mich zu hassen.«
    Ich blieb stehen und drehte mich noch mal zu ihm um. »Wie kommst du darauf, dass ich dich hassen würde?«
    »Du benimmst dich so«, sagte er mit dunkler, trauriger Stimme und war im nächsten Augenblick verschwunden.
     
    Am nächsten Morgen fuhr Marc mit dem Motorrad zurück nach Berlin und nahm Isabell mit, die dort Sören treffen wollte, um in den Babelsberger Studios mit ihm zu drehen. »Wir kommen dann in zwei Wochen zusammen mit dem Campingbus wieder. Seid schön fleißig, ich will dann Fortschritte sehen!«
    Wir verabschiedeten uns lachend und gingen tatsächlich wieder an die Arbeit. Stefan und Thomas werkelten am Dach weiter, und ich machte mich mit Mandy daran,den Garten hinter der Gutsküche wieder etwas herzurichten.
    »Es ist wirklich ein Jammer, den so verkommen zu lassen«, meinte auch Mandy. »Da hat jemand mit so viel Sinn für Romantik gewirkt.« Sie rupfte meterhohes Unkraut aus den Rosenbeeten und legte wunderschöne Ritterspornstauden frei, welche mit ihrem zarten Lila zu den gefüllten rosa Rosen ganz zauberhaft aussahen.
    Wer mochte diesen Garten wohl angelegt haben? Schon Estelle Vanderborg oder vielleicht erst ihre Tochter Amanda? Hatte meine Großmutter Lysette ihm vielleicht seine letzte Gestalt gegeben, und schnupperte meine Mutter Hannah schon an den gleichen Rosen, deren Duft mir jetzt so betörend in die Nase stieg? Es war für mich ein ganz eigentümliches Gefühl, an diese Frauen zu denken und an einem Ort zu stehen, wo sie alle ganz sicher einmal genauso wie ich jetzt in einem versunkenen Moment die Schönheit dieses Fleckens mit allen Sinnen genossen hatten.
    Ich war als Kind einer alleinerziehenden Mutter oft umgezogen und ohne Verwandte aufgewachsen, aber nun spürte ich zum ersten Mal, dass ich in eine große Familie und deren Tradition eingebunden war, zu der ich gehörte und die zu mir gehörte.
    Die sensible Mandy sprach aus, was mich bewegte. »Du musst so stolz sein auf deine Vorfahren, dass sie dir etwas so Schönes wie dieses Gut hinterlassen haben.«
    Ja, das war ich: stolz und … glücklich.
     
     
    I
n der Nacht weckte mich eine Berührung. Es war, als striche eine kühle Hand über mein Gesicht … die Stirn … die Wangen … das Kinn entlang bis hinunter zum Hals.
    »Amadeus«, hauchte ich und wunderte mich, dass er es wagte hierherzukommen, wo ich ihm doch so deutlich den Laufpass gegeben hatte und auch noch neben mir meine Freunde schliefen. »Du bist leichtsinnig! Was willst du?«, wisperte ich.
    Aber ich erhielt keine Antwort. Rascher, als ich hinsehen konnte, richtete sich der Schatten,

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