Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Louisa
lodern, um sich darin nicht zu verlieren?
M
arc hatte über Handy sein Kommen angekündigt. Er wollte mit dem Motorrad fahren, hatte aber seinem Kumpel Thomas, dem für uns so wichtigen Bauingenieur, eine ganze Kiste notwendiger Utensilien mitgegeben. Der fuhr einen großen Kombi und konnte die neben Stefan, Mandy und Isabell auch noch transportieren. Er meinte, dass sie gegen Mittag alle eintrudeln würden und ich solle schon mal was Anständiges kochen. Ha ha, Scherzkeks!
Schon am Morgen kam allerdings ein Laster an, der einen Stapel Dachlatten auf dem Vorplatz ablud. Na, da konnte ich mir ja schon denken, wohin die Reise in den nächsten Wochen gehen würde. Sah richtig nach Arbeit aus.
Irgendwie fand ich es rührend, wie Marc das Gut zu seiner Sache machte und die Dinge tatkräftig in die Hand nahm. Ohne ihn wäre ich wohl wirklich etwas überfordert mit dieser »Ruine«. Mir war allerdings klar, dass er auch einiges an Geld investierte, und das war mir doch ein bisschen unangenehm. Ich wollte nichts geschenkt haben und ihm dadurch verpflichtet sein.
Aber er hatte meine Vorbehalte lachend abgebürstet und gemeint, dass ich ja alles zurückzahlen könne, wenn das Wellnesshotel den ersten Gewinn abwerfen würde. Spaßvogel! Ich wette, er sah sich heimlich schon als künftiger Gutsherr an meiner Seite. Schlecht käme das sicherlich nicht, denn er war schon ein Typ, den Frau nicht versteckenmusste. Im Gegensatz zu Amadeus war er außerdem absolut tageslichttauglich.
Da ich natürlich die Leute nicht mit hungrigem Magen aufs Dach schicken konnte, schwang ich mich hinter das Steuer meines Käfers, fuhr nach Trebbin in den Supermarkt und kaufte ein Kilo Gehacktes und drei Pakete Spaghetti, Tomatenmark, Paprikaschoten und Salat, um ihnen wenigstens heute ein frisch zubereitetes Essen anbieten zu können. Spaghetti mit meiner Spezial-Bolognese würden bestimmt gleich gute Laune machen. Dazu Salat und ein Glas Rotwein und das Landleben konnte beginnen.
Als ich zurück auf dem Gut war, freute ich mich über das schöne Wetter und beschloss, einfach den alten Küchentisch in den Garten zu schleppen und dort aufzudecken.
Im verwilderten Kräutergarten umwehte mich ein herrlicher Duft. Ich platzierte das ausrangierte Geschirr, das meine Mutter mir gespendet hatte, auf einem hellgrünen ehemaligen Bettlaken, das ich schon in der WG immer als Tischtuch benutzt hatte, stellte einfache Gläser von Ikea dazu und betrachtete dann zufrieden mein Werk. Ein paar Blumen als Tischdekoration konnten nicht schaden. So plünderte ich den alten Rosenstock und drapierte einige weiße Blüten in der Mitte des Tisches. Jetzt wurde es aber Zeit für die Soße. Ich warf den Campingkocher an und alle Zutaten zusammen in einen Topf. Etwas Wasser dazu, Tomatenmarkt … Salz … Pfeffer … umrühren … abschmecken … Fertig! Unvorstellbar, dass Vampire an so etwas keinen Geschmack fanden … Es war doch so schön rot!
Ob mir Amadeus’ Lebensstil auf Dauer liegen würde? Im Moment hatte ich da erhebliche Zweifel.
Mit perfektem Timing knatterte Marc auf seiner Kawasakidie Zufahrt rauf und wenig später bog auch der Kombi von Thomas in die kleine Allee ein.
Strahlend trat ich auf die Freitreppe und winkte ihnen – ganz Gutsherrin – von dort oben zu. Ich fühlte mich vollkommen unbeschwert. Es stimmte, ein Haus ist nicht per se gut oder böse, sondern es strahlt nur den Geist seiner Bewohner aus. Glückliche Menschen machten auch glückliche Häuser. So jedenfalls wollte ich es halten.
Die traurigen, ja, tragischen Schicksalsjahre meiner Familie auf Blankensee sollten nicht vergessen sein, aber sie waren Vergangenheit. Nun wollte ich das Haus mit neuem Leben füllen, und ich war sicher, dass bessere Zeiten anbrechen würden. Dieses Haus würde mit meiner ganzen Hingabe renoviert werden, in neuem Glanz erstrahlen und von einer neuen optimistischen Generation aus der Familie der Vanderborgs in Besitz genommen werden.
»Willkommen!«, rief ich laut nach unten. »Willkommen auf Gut Blankensee!«
Das Essen kam sehr gut an, die Stimmung war prächtig und alle richteten sich im ehemaligen Salon mit Isomatten und Schlafsäcken ein.
Gleich am nächsten Tag nutzten wir das schöne Wetter aus und klotzten tüchtig ran. Auf dem Vorplatz des Gutshauses stapelten sich massenhaft zerbrochene Dachschindeln und morsche, verfaulte Dachlatten.
Auch heute hockten Marc und Thomas wieder auf dem Dach wie die Zimmerleute und nagelten neue
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