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Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Louisa

Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Louisa

Titel: Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Louisa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bianka Minte-König
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als ich ihn sprach, stiegen in mir wieder die entsetzlichen Bilder meiner ermordeten Freunde auf, und ich musste abbrechen, weil mir die Tränen in die Augen schossen.
    Aus, vorbei, vermasselt, dachte ich, machte eine halbe Drehung und schlich ohne ein weiteres Wort durch den hinteren Bühnenabgang davon.
    Aber der Schauspieldirektor rief mich noch mal zurück. »Wo wollen Sie denn so schnell hin?«, fragte er lächelnd.
    Ich war völlig konfus und zuckte nur wortlos die Schultern.
    »Können Sie uns denn auch noch etwas vorsingen? Wir suchen ja Darstellerinnen für eine Musicalrolle.«
    Stimmt, da war doch etwas. Aber ich hatte gar nichts vorbereitet. Ob ich die Elektra als Opernarie improvisierensollte? Unfug! Dann fiel mir das einzige Musical ein, das ich während meiner Schauspielausbildung studiert hatte. Es hieß West Side Story und darin gab es einen Song, den ich sehr liebte und der mir ganz plötzlich auf der Zunge lag. Und während ich ihn anstimmte, sah ich das Gesicht von Amadeus vor mir und spürte, dass die Worte, die ich gerade sang, zu meiner ganz persönlichen Wahrheit wurden.
    When love comes so strong, there is no right or wrong … your love is your love …
    Irgendwie hatte ich den Text durcheinandergebracht und ich kam mir plötzlich auch absolut peinlich vor. Ich fühlte, wie meine Wangen glühten, und brach ab.
    Das Klatschen von maximal zwei Händen drang an mein Ohr und holte mich zurück in die Realität des Vorsprechens.
    »Sehr gefühlvoll«, sagte der Spielleiter. »Ein wenig textunsicher, aber ein klarer Mezzosopran. Absolut ausbaufähig.«
    Seine Assistentin meinte grinsend: »Danke, bis später.«
    »Sie hat ›bis später‹ gesagt«, teilte ich Isabell aufgeregt mit. »Ist das ein gutes Zeichen?«
    Sie zuckte die Schultern, aber ein anderes Mädchen meinte: »Ich würde sagen: eher gut als schlecht.«
    Ich spuckte Isabell ein »Toi, toi, toi!« über die Schulter, schob sie zum Bühneneingang und … sie ging tatsächlich auch rein.
    Als wir später im KaDeWe auf unsere ersten Verträge anstießen, hatten wir ein schlechtes Gewissen, weil wir uns doch wegen Mandy, Stefan und Thomas eigentlich gar nicht freuen durften.
    »Es ist wie bei der Elektra«, sagte ich leise. »Ich weiß,dass ich mich eigentlich freuen sollte, aber ich kann es nicht, weil ich an all das Blut und die Leiden der Opfer denken muss.«
    Isabell nickte. »Aber davon, dass wir uns nicht freuen, werden sie ja auch nicht wieder lebendig.«
    Wir tranken den Sekt aus und nahmen uns ganz fest in die Arme. »Wichtig ist, dass wir sie nicht vergessen, dass wir sie bei uns tragen, in unserer Erinnerung und in unseren Herzen.«
     
     
    M
arc fand die Idee, dass ich das nächste Wochenende alleine auf Gut Blankensee verbringen wollte, gar nicht gut.
    Aber es machte nur Sinn, wenn niemand bei mir war und der Täter mich deshalb schutzlos wähnte. So ließ er mich am Freitag nur äußerst widerstrebend mit meinem Käfer nach Trebbin fahren, wo mich Werner schon mit ein paar Leuten seines Stabes erwartete und überaus freundlich begrüßte. Offenbar hatte er bis zuletzt daran gezweifelt, dass ich unsere Verabredung auch wirklich einhalten würde.
    Er begleitete mich persönlich zum Gut und gab mir letzte Instruktionen. »Ich sage Ihnen ganz bewusst nicht, wo unsere Leute überall postiert sind, damit Sie sich ungezwungen bewegen können, aber seien Sie sicher, wir haben Sie immer im Auge und greifen sofort ein, wenn Gefahr im Verzug sein sollte.«
    Na dann, dachte ich, hoffen wir mal, dass niemand den entscheidenden Augenblick verschläft. Andererseits war ich mir weniger denn je sicher, dass dieser Augenblick überhaupt jemals eintreten würde.Ich ging ins Haus und rollte meinen Schlafsack in der ehemaligen Bibliothek vor den Bücherschränken auf der Isomatte aus. Um den Salon, in dem meine Freunde ermordet worden waren und an dessen Türen noch die Siegel klebten, machte ich einen großen Bogen.
    Schon allein unsere Behelfsküche zu betreten, um mir Wasser für einen Tee zu kochen, bereitete mir höchsten Stress und ich konnte die Tränen kaum zurückhalten. Außerdem begann ich mich nun doch zu fürchten, und der Gedanke, dass der oder die Täter zurückkehren könnten, beunruhigte mich schließlich so sehr, dass sich die Gefahr in meinem Kopf potenzierte und die Angst sich ins Ungeheuerliche aufblähte.
    Immer wieder aber kreisten meine Gedanken auch um Amadeus und die Frage, ob nicht doch er der Täter war oder ob ich

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