Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Louisa
ihn so sehr … so besinnungslos, dass ich schon mir selber keinen Widerstand entgegensetzen konnte, geschweige denn ihm. Es konnte falsch sein, was ich tat, aber ich war bestimmt, es zu tun!
Und während er mich in seine Zärtlichkeit einhüllte, hatte ich wieder den Song aus dem Musicalkurs im Ohr, der mir recht gab. Auch Maria liebte einen Mann, von dem sie annehmen musste, dass er ein Mörder war, dass er ihren Bruder getötet hatte! In einem Bandenkrieg in der New Yorker Westside. Sie tat es, weil Liebe irrational ist, weil sie alle Gesetze der Menschen außer Kraft setzt … Sie ist eine Urgewalt, ein archaischer Trieb jenseits von Ethik und Moral.
Ich jedenfalls fühlte mich ihr vollkommen ausgeliefert … jetzt … in diesem magischen Moment … mit diesem Mann, von dem ich so gut wie gar nichts wusste …
I have a love, and it’s all that I have, right or wrong, what else can I do?
Es war, als hätten Amadeus und ich nur auf diese Nacht gewartet. Sie war wie geschaffen für Liebende, besonders für verzweifelt Liebende. Sie brach all meinen Widerstandund gegen jede Vernunft gab ich seinem beharrlichen Werben nun doch nach.
When love comes so strong, there’s nothing to be done …
Ich konnte nicht anders handeln, denn dieser Liebe ließen sich weder Vernunft, noch Moral, noch irgendetwas anderes entgegensetzen, was mich von ihr hätte abbringen können.
Ich genoss die kühle Hand von Amadeus, die mich so sanft streichelte, zitterte unter seinen zärtlichen Küssen, mit denen er mein Gesicht und mein Dekolleté bedeckte, und verlor mich schließlich in seiner überwältigenden Leidenschaft.
There is no right or wrong … your love is your love …
Noch nie hatte mich ein Mann so erschüttert und noch nie hatte ich in seinen Armen eine solche aufwühlende Sinnlichkeit empfunden. Und obwohl ich mir immer noch nicht sicher sein konnte, dass Amadeus ohne Schuld am Tod meiner Freunde war, versanken wir ganz und gar ineinander, und im Moment ekstatischer Lust vergaß ich alles Hässliche und alle Grausamkeiten, die in der Welt existierten.
Als ich langsam mein Bewusstsein wiedererlangte und mich sogleich unbehaglich fühlte, stand sein Gesicht über mir, und so sah ich direkt in seine Augen. Sie glitzerten wie kostbare Diamanten, in denen sich in bunten Spektralfarben vielfach das Sonnenlicht brach. Aber es gab keine Sonne. So funkelten sie offenbar durch ein inneres Leuchten, das Ausdruck einer tiefen Befriedigung war. Wie gerne hätte ich auch so gefunkelt, denn ich fühlte mich wie ein ehemals roher Edelstein, den man zu einem strahlenden Brillanten geschliffen hatte.
Sein schöner sinnlicher Mund war geschlossen und allein der Anblick seiner Lippen weckte erneut in mir dasunbändige Verlangen, ihn zu küssen. Sehnsüchtig griff ich nach seiner Hand, um ihn zu mir herabzuziehen, aber er zog mich im selben Augenblick zu sich hoch, und ich sank in seine Arme. Erschöpft lag ich an seiner Brust und er strich mir sanft durch mein Haar.
»Ich danke dir, Louisa«, sagte er leise. »Ich danke dir, dass du mir doch dein Vertrauen geschenkt hast … und ich danke dir für diese Nacht. Dafür, dass ich ihre Magie mit dir teilen durfte.«
Aber während er das sagte, schien ihn eine plötzliche Unruhe zu befallen, und er seufzte seltsam gequält auf und stöhnte: »Könnte sie uns doch heute für immer vereinen!«
Ich fühlte, wie sich seine Hand in meinem Haar verkrampfte, und der Schmerz brannte bis unter meine Kopfhaut.
Urplötzlich spürte ich die Gefahr. Sie teilte sich mir wortlos und mit allen Sinnen mit. Zunächst glaubte ich, dass Amadeus’ verändertes Verhalten der Auslöser dafür gewesen wäre. Denn während ich die Bedrohung förmlich roch und sie durch jede Pore meiner Haut in mich einzudringen schien, fühlte ich, wie seine Muskeln hart wurden und sein Körper von einer extremen Anspannung ergriffen wurde. Wie ein Raubtier vor dem Sprung wirkte er plötzlich, und mir wurde mit Entsetzen bewusst, dass nur ich die Beute sein konnte. Er war eine blutsaugende Bestie und nichts und niemand konnte ihn zähmen. Ich hatte mich vom Zauber dieser Nacht blenden lassen und war ihm blind in die Falle getappt.
Ich wollte gerade panisch aufspringen, als er mich mit einer herrischen Geste zu Boden warf und mir seine Hand auf den Mund presste, bevor ich schreien konnte. Ich erstarrte.
Nun also war der Moment gekommen, wo er auch michbeißen und töten würde. Kommissar Werner hatte mit seiner Wolfstheorie
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