Die dunkle Göttin
das auch nur annährend so edel ist wie dieses. Geschweige denn, dass jemand ein solches Tier je besessen hätte. Dieses Geschenk, das er dir gemacht hat, Leeana, bietet jedoch reichlichen Anlass für Neid und Groll. Ich möchte, dass dir dies klar ist. Dass ich es am Ende nicht zurückgewiesen habe, hat zwei Gründe. Erstens und das halte ich für den wichtigeren Grund hatte ich keine rechtliche Handhabe, ein solches Geschenk im Namen von jemand anderem auszuschlagen. Und ich bin nicht bereit, deswegen die Gesetze zu umgehen. Der zweite Grund ist, dass sich Dame Kaeritha sehr nachdrücklich für dich eingesetzt hat. Es spricht für jemanden, wenn ein Paladin des Tomanâk so stark für sie argumentiert, und ich glaube, ich kenne Dame Kaeritha mittlerweile gut genug. So sehr sie dich auch schätzen mag, sie hätte deinen Fall niemals so vehement vertreten, wenn sie nicht glauben würde, du hättest es wirklich verdient.«
»Oh, danke. Ich danke Euch, Domina Yalith!«, flüsterte Leeana, während ihr die Tränen in die Augen stiegen.
»Ich habe nichts getan«, antwortete Yalith. »Und vergiss nicht, dass dir daraus eine Menge Probleme erwachsen werden. Selbst wenn du das Glück haben solltest, dass dir niemand in Kalatha dieses Geschenk neidet, was ich keinen Augenblick annehme. Baron Tellian hat dir außerdem ausreichende Geldmittel dagelassen, damit du mindestens einige Monate lang das Futter für das Pferd zahlen kannst. Er hat dir jedoch auf Dame Kaerithas Drängen hin, möchte ich hinzufügen kein Geld für die Unterbringung des Pferdes gegeben. Das heißt, du musst dir etwas ausdenken, wie du für diese Kosten selbst aufkommen kannst.«
Leeana sah sie abwartend an, Yalith aber zuckte die Achseln.
»Dame Kaeritha war dabei, als ich mir über die möglichen schlimmen Folgen dieses Geschenks Sorgen gemacht habe. Sie sagte ganz richtig, dass es den unvermeidlichen Neid und Groll auf lange Sicht zerstreuen würde, wenn du schwerer und länger als alle anderen in Kalatha arbeiten musst, um das Pferd behalten zu können. Außerdem denke ich mir, dass du auf diese Weise das Geschenk des Barons noch höher schätzen wirst.«
Sie verstummte und musterte gleichmütig Leeanas Gesicht.
»Verstehst du das alles, Leeana?«
»Ja, Domina Yalith. Ich verstehe«, antwortete das junge Mädchen, in dessen jadegrünen Augen immer noch Freudentränen glänzten.
»Das glaube ich auch.« Die Domina nickte und damit war das Gespräch beendet. Sie wandte sich um, blieb dann jedoch stehen und sah über die Schulter zurück.
»Weißt du«, sagte sie, »ich bin nicht sicher, ob ich selbst gern ein solches Lob bekommen hätte, aber du solltest Dame Kaerithas Beharren darauf, dass du dir die Stallkosten selbst verdienen musst, als ein sehr großes Kompliment betrachten, Leeana.«
Leeana sah sie verwirrt an, was Yalith mit einem amüsierten Lachen quittierte.
»Natürlich ist es ein Kompliment! Sie hätte nicht darauf bestanden, dass du das Pferd behältst, wenn sie nicht der Meinung gewesen wäre, dass du es verdient hättest. Und offenbar scheint sie sehr großes Vertrauen in dich zu setzen. Eine andere Erklärung gibt es nicht! Denn sonst hätte sie niemals billigend in Kauf genommen, dass du viel mehr als alle anderen dafür arbeiten musst.«
Sie lächelte.
»Gute Nacht, Leeana. Jetzt geh schlafen
Du wirst die Erholung brauchen.«
3
SIR KELTHYS LANZENTRÄGER setzte sich gemütlich in den Sattel, als ihn Walasfros stetiger, unerbittlicher Galopp über die letzte Anhöhe trug, auf deren Grat sie anhielten. Endlich lag das Herrenhaus der Warmen Quellen vor ihnen. Die Sonne war gerade über dem östlichen Horizont aufgegangen und schaute über den gewaltigen Grab-Der-Hoffnung-Gletscher weit oben im Norden. Über den Feldern und Weiden lag der Morgendunst wie blauer Nebel, und der weiße Dampf der Quellen, von der das Gut seinen Namen hatte, stieg in regungslosen, silbrigen Wolken empor.
Walasfro stand für einen Augenblick reglos da, den mächtigen Schädel erhoben, und atmete schwer. Nicht einmal ein Windrenner konnte das Tempo durchhalten, das er angeschlagen hatte, ohne allmählich müde zu werden. Kelthys spürte die Erschöpfung seines Hengstes so wie seine eigene und vermutete, dass er sogar erheblich müder war als der Windrenner, obwohl Walasfro letztlich die ganze Arbeit getan hatte. Im Gegensatz zu Walasfro hatte bei Kelthys Vorfahren allerdings keiner eine magische Veredelung vorgenommen. Er war
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