Die dunkle Göttin
wenig, dass Leeana so gut wie keine Küchenerfahrung besaß. Das war zwar nicht gerade Leeanas Schuld, aber sie hütete sich zu erklären, dass ihr diese Fertigkeiten deswegen abgingen, weil ihre Eltern Bedienstete hatten,
die sich um die niederen Arbeiten kümmerten. Leeana vermutete, dass die Köchin es nicht gerade wohlwollend aufgenommen hätte, wenn sie ihre Arbeit als einen »niederen Dienst« bezeichnete. Außerdem war Leeana der Meinung, es werde für sie Zeit, diese Fähigkeiten zu erlernen.
Ihre Bereitschaft, sich in die Arbeit zu stürzen, zwar ohne die geringste Ahnung, dafür jedoch mit viel Begeisterung, gab den Ausschlag. Vielleicht, dachte Leeana, kommt die Empfindlichkeit der Köchin ja zum Teil von ihrer Annahme, dass jemand von so vornehmer Geburt die Pflichten, die man ihr zuteilte, für unter ihrer Würde hält. Offenbar hatten einige andere Frauen aus Leeanas Schicht ähnliche Vermutungen gehegt. Doch ihr Misstrauen legte sich rasch, als sie Leeanas Bereitschaft bemerkten. Sie wurde zwar auf Grund ihres mangelnden Wissens mit Arbeiten betraut, für die kein Vorwissen nötig war, aber die meisten ihrer Arbeitskolleginnen blieben ab und zu stehen, gaben ihr einen Hinweis oder munterten sie auf.
Das half zwar, aber als das Abendessen vorbei war, die Tische abgeräumt und gesäubert, die Töpfe, Pfannen und das Geschirr abgewaschen, und die Kochutensilien für die Frühstücksköche am nächsten Morgen bereit gelegt waren, taumelte Leeana förmlich vor Ermattung.
Sie hatte ihren Ritt von Balthar nach Kalatha schon für anstrengend gehalten, was er zweifellos auch gewesen war. Doch die Erschöpfung, die sie jetzt spürte, war nicht einmal mit der zu vergleichen, die sie nach ihrer ersten fürchterlichen und schlaflosen Nacht im Regen empfunden hatte. Leeana war sich vollkommen sicher, in ihrem ganzen Leben noch nie so müde gewesen zu sein.
Sie stolperte aus dem Speisesaal zu ihrem Schlafraum und blieb taumelnd stehen, als sie merkte, dass jemand vor ihr stand. Es kostete sie einen Augenblick, die Person im Licht der Laternen über dem Eingang des Saals zu erkennen. Sofort straffte sie ihren schmerzenden Rücken und richtete sich vor Domina Yalith auf.
»Ich will dich nicht lange aufhalten, Leeana«, sagte die Domina. Sie lächelte, ihre Worte klangen mitfühlend und verständnisvoll. »Ich weiß, dass du jetzt nur noch ins Bett fallen und dort liegen bleiben möchtest, solange wir dich lassen. Es ist wohl nur ein schwacher Trost, aber so ziemlich jede Kriegsbraut hat das durchgemacht, und die meisten von uns haben diese Erfahrung überlebt, wie du siehst.
Ich wollte dir nur drei Dinge mitteilen, bevor du auf deiner Pritsche zusammenklappst.
Erstens vermute ich stark, dass du der Meinung bist, du hättest vollkommen versagt, als Erlis und Ravlahn dich heute Morgen prüften. Nun, das hast du mitnichten.« Leeana blinzelte müde und ungläubig, Yalith aber lächelte erneut. »Ich will nicht gerade behaupten, dass du sie mit deinen unglaublichen Fähigkeiten begeistert hättest. Aber angesichts der Tatsache, dass du überhaupt keine Ausbildung genossen hast, hast du dich gut gehalten. Beide, Erlis und Ravlahn, glauben, dass du eine bemerkenswerte angeborene Fähigkeit besitzt, die sie fördern können. Jedenfalls sind sie fest davon überzeugt.
Zweitens war Lanitha höchst beeindruckt, sowohl von deinen natürlichen Geistesgaben als auch von dem Wissen, das du bereits besitzt. Es gibt zwar ein paar Wissensbereiche, die du noch vertiefen kannst, insgesamt gesehen aber bist du bereits sehr qualifiziert, was dein Wissen betrifft, sogar um unsere Lehrerinnen zu unterrichten. Lass dir das jedoch lieber nicht zu Kopf steigen, Liebes«, setzte die Domina mit einem leisen Lachen hinzu.
»Drittens«, fuhr sie kurz darauf in einer deutlich veränderten Tonlage fort, »ist gestern etwas vorgefallen, das meines Wissens nach noch nie zuvor passiert ist. Baron Tellian«, selbst jetzt brachte sie es nicht über sich, »dein Vater« zu sagen, »hat etwas für dich dagelassen.«
Leeana sah die Domina an.
»Das Besitzrecht über dein Pferd, Leeana«, fuhr Yalith ruhig fort.
Leeana blinzelte, da sie nicht sofort begriff, doch dann tat ihr Herz einen Satz und auf ihrem ausgelaugten Gesicht zeichnete sich ungläubige Freude ab.
»Es ist ein wahrlich fürstliches Geschenk«, meinte die Domina. »Ehrlich gesagt war ich versucht, es abzulehnen. Denn noch nie hat eine Kriegsbraut in Kalatha ein Pferd geritten,
Weitere Kostenlose Bücher