Die dunkle Horde: Ein Trolle-Roman (German Edition)
der Wasserschläuche und sah den Troll herausfordernd an. Sie hatte befürchtet, dass er wütend werden könnte, wenn sie sich ihm entzog, doch zu ihrer Überraschung nickte er nur, als würde er es verstehen.
Vorsichtig hockte sich Deilava neben Narem, öffnete den Schlauch und ließ etwas kühles Wasser in ihre hohle Hand fließen. Dabei fielen ein paar Tropfen auf Narems Gesicht, der sich jedoch nicht rührte. Sanft goss sie das Wasser auf seine schmutzige Haut, spülte die Spuren des Kampfes fort, ließ es über seine Wunden fließen und sie reinigen. In ihrem Geist bat sie die Geister, ihr zu helfen. Sie stimmte in Gedanken den uralten Singsang an, doch formte ihr Mund die Worte nur, sprach sie nicht aus. Es dauerte lange, aber dann konnte sie ihre Anwesenheit spüren, ihre Nähe, die sie aufatmen ließ.
Aus dem Augenwinkel sah sie, wie Karn auf die Füße sprang und die Fäuste hob. Von seiner plötzlichen Bewegung überrascht, wich Deilava zurück, ließ den Wasserschlauch fallen.
»Was machst du da?«
Erst jetzt bemerkte sie, dass Karn vor ihr zurückwich, als fürchtete er sich vor ihr. Von draußen drangen Rufe zu ihnen herein.
»Ich helfe meinem Gefährten«, erklärte Deilava so ruhig wie möglich. »Er ist verletzt und braucht mich.«
Karn sah sich um, sein gewaltiger Kopf schwang von links nach rechts, als suche er etwas, was er nicht sehen konnte.
»Was ist los?«, knurrte eine der Wachen in der Tür hinter ihm.
Karn zögerte, sah Deilava lange an.
»Nichts«, erklärte er. »Es ist alles gut.«
Die beiden Wachen murmelten etwas und entfernten sich wieder. Karn trat rückwärts an die Tür, ließ Deilava dabei nicht aus den Augen, beugte sich hinab und zog sie zu.
»Du hast es gespürt, nicht wahr?«, erkannte die Elfe. »So wie im Obsthain. Du hast die Geister gespürt.«
Der Troll blinzelte verwirrt. »Da war ein Rauschen«, erklärte er leise. »So wie gerade.«
Mit einem Seufzen ließ sich Deilava wieder neben Narem nieder. Es fiel ihr schwer, nicht stehen zu bleiben, nicht jederzeit kampfbereit zu sein, aber es gelang ihr sogar, den Blick von Karn abzuwenden. Die Erkenntnis, dass es unter den Trollen solche gab, die mit den Geistern sprechen konnten, verschlug ihr den Atem. Es widersprach allem, was sie von ihnen gehört hatte und wie die gewaltigen Wesen auf sie wirkten.
Mit Bedacht nahm sie den Wasserschlauch hoch und verschloss ihn. Ihr Geist war voller Fragen, voller Worte, die umeinanderjagten und keinen Sinn ergeben wollten.
»Was ist das? Geister?«
Die Frage des seltsamen Trolls zwang sie, sich zu konzentrieren. Sie drängte die Ungewissheit in den Hintergrund, suchte nach den richtigen Sätzen.
»Sie sind alles«, begann sie schließlich. »Überall. In allem, was lebt. In manchem stark, in manchem schwach.«
»Wie, überall? Auch in Bäumen und Vögeln und so?«
Es überraschte sie, dass er es nicht wusste, konnte er doch ihre Anwesenheit spüren. Sie warf ihm einen langen Blick zu, versuchte zu ergründen, ob er sie nur verspottete. Doch da war nur Ehrlichkeit in seinem Blick und Neugier.
»Überall. Manche Wesen haben eine starke Verbindung zu ihnen, ihr Geist ist fest in ihnen verwurzelt. So wie der unsere. In anderen ist diese Verbindung schwächer. Und es gibt Geister, die über all das hinausgehen, die groß, gewaltig und unverständlich sind, die jenseits unseres Vorstellungsvermögens existieren und mehr darstellen, als man begreifen kann.«
Der Troll wirkte nachdenklich. Er schwieg lange Zeit, sodass Deilava sich schon fragte, ob er sie überhaupt verstanden hatte. Dabei blieb er unbeweglich stehen, die Arme leicht erhoben, in einer Position, die vorsichtig wirkte, sofern man das von einem solchen Wesen überhaupt sagen konnte.
»Ich habe es gespürt«, sagte er schließlich in einem leisen Tonfall, in dem Ehrfurcht mitschwang, »und gesehen. Es war … wie ein Traum vielleicht.«
»Hast du mich so im Obsthain gespürt?«
Er nickte lediglich.
»Ich habe die Geister gebeten, mich vor den Blicken meiner Feinde zu verbergen. Hätte ich geahnt …«
Sie sprach nicht weiter. Die Zwerge waren verbunden mit allem, was tot war. Sie maßen den Geistern keinen Wert bei. Gegen sie hatten die Elfen die Macht der Geister oft eingesetzt. Doch jetzt schien es, als wäre genau das ihr Fehler gewesen. Ohne es zu wissen, hatte sie Karn damit erst auf sich aufmerksam gemacht.
»Du sprichst mit ihnen?«
Jetzt war es an Deilava zu nicken. »Wir alle«, gestand sie. »Mein
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