Die dunkle Horde: Ein Trolle-Roman (German Edition)
Belüftung dienen mochte. Von draußen konnte Deilava leise Stimmen hören, immer mal wieder die schweren Schritte ihrer Bewacher, ab und an drang aus der Ferne ein Brüllen an ihre Ohren. Die Trolle waren wie Tiere.
Sie war nicht allein, aber Narem war noch nicht wieder bei Bewusstsein. Seine sichtbaren Wunden hatte sie notdürftig versorgt. Sein Atem ging regelmäßig, und sie hatte ihn auf dem Stroh am Boden so sanft gebettet, wie es ging. Ansonsten gab es in der Zelle nichts, was sie nutzen konnte, um ihm zu helfen. Selan indes hatte sie für immer an das Reich der Geister verloren. Die Erinnerung an seinen Tod, den sie hatte mit ansehen müssen, öffnete ein schwarzes Loch in Deilavas Herzen, das sie zu verschlingen drohte. Wohin die Monster seinen Leichnam gebracht hatten, wusste sie nicht. Vermutlich haben sie ihn einfach zurückgelassen. Oder ihn gefressen.
Zum Glück waren da die Schmerzen ihres Leibes. Die Wunden, von den Klauen des Trolls gerissen, die blauen Flecke, die Quetschungen. Die Pein hielt sie am Leben, denn sie fachte die kleine Flamme ihrer Wut an, die in der kalten Nacht der Hoffnungslosigkeit brannte.
Tief in ihrem Inneren ahnte Deilava allerdings, dass der Zorn vergebens sein würde. Selan war tot; Narem verwundet, ebenso wie sie, sie beide gefangen von Trollen. Die furchtbaren Wesen ihrer Vorstellung hatten sich in der Realität als noch schrecklicher entpuppt. Groß und grob, unglaublich stark, ohne Mitleid, ohne Gefühl, wahre Monstren.
Seit sie in der Zelle aufgewacht war, hatte niemand mit der Elfe gesprochen. Zunächst hatte sie überlegt, laut zu rufen, sich dann aber dagegen entschieden. Was gab es mit diesen Wesen schon zu besprechen?
Stattdessen hatte sie begonnen, nach Fluchtmöglichkeiten zu suchen. Doch nachdem sie in dem kleinen Raum einige Male auf und ab gegangen war, sich die Wände und die dicke Holztür genauer angesehen hatte, war sie zu dem Schluss gekommen, dass es in ihrer jetzigen Situation keinen Ausweg gab. Zu dick waren die Mauern, zu fest und sicher die Tür, und durch die schmale Lüftungsöffnung hätte sich gerade mal ein Eichhörnchen winden können, nicht jedoch eine Elfe.
So saß sie nun auf dem kühlen Fußboden, die Knie angezogen und die Arme um die Beine geschlungen, und versuchte, nicht der Dunkelheit in ihrem Innern nachzugeben. Noch nie hatte sie sich so hilflos gefühlt. Die Decke des Raums war nicht niedrig, aber Deilava kam es so vor, als würde sie von ihr niedergedrückt, als raubte sie ihr alle Luft zum Atmen.
Sie wünschte sich sehr, dass Narem aufwachen würde, damit sie mit ihm sprechen konnte, damit er sie von den Gedanken ablenkte, den Erinnerungen an Selans Tod, an den Anblick der monströsen Trolle, ihre unglaubliche Übermacht.
Fast war sie erleichtert, als Geräusche von der Tür her erklangen. Ein Riegel wurde zurückgezogen, dann öffnete sich die Tür knarrend. Dahinter war ein weiterer Raum, fast ebenso dunkel wie dieser hier, in dem jedoch ein kleines Licht flackerte, dessen Ursprung Deilava nicht sehen konnte. Denn ein Troll stand in dem Türrahmen, tief gebeugt, und dennoch stieß er sich den Kopf, als er die Zelle betrat.
Deilava sprang auf die Füße, ignorierte den Schmerz in ihren Gliedmaßen und wich ein Stück zurück. Der Troll blieb stehen und schnaufte vernehmlich. Für sie war er nur ein massiger, schwarzer Schemen, eine Gestalt wie aus alten Legenden, ungeschlacht und laut. Sein Geruch allerdings war angenehmer, als sie gedacht hätte, dumpf und erdig, nicht scharf oder stechend wie in ihrer Vorstellung.
Zu ihrer Erleichterung kam er nicht näher, sondern ließ zunächst seinen Blick durch den Raum wandern.
»Wie heißt du?«, fragte er schließlich. Deilava verschränkte die Arme vor der Brust und sah ihn mit so viel Hochmut an, wie sie noch aufbringen konnte. Viel war es wohl nicht, denn er schniefte nur und kratzte sich am Kinn.
»Ich bin Karn«, sagte er langsam und deutlich und deutete mit seinem riesigen Daumen auf seine Brust. Und dann noch einmal, als sei sie schwer von Begriff: »Karn.«
Etwas an ihm kam ihr bekannt vor, auch wenn sie im Zwielicht kaum Details erkennen konnte.
»Verstehst du meine Sprache?«
»Das ist meine Sprache, nicht deine!«, zischte sie, biss sich dann auf die Lippe.
»Ah, du kannst sprechen«, erwiderte Karn ungerührt.
»Es ist eher ein Wunder, dass du es kannst.«
»Wieso?« Der Troll deutete auf seine wulstigen Lippen. »Ich habe einen Mund, so wie du.«
Sie
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