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Die dunkle Horde: Ein Trolle-Roman (German Edition)

Die dunkle Horde: Ein Trolle-Roman (German Edition)

Titel: Die dunkle Horde: Ein Trolle-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Hardebusch
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ihr nur noch Erinnerungen übrig sind.«
    Die Worte klangen endgültig. Deilava musste schlucken. Sie freute sich auf die Heimkehr, doch erst jetzt wurde ihr bewusst, dass sie auch bedeutete, dass sie sich trennten.
    »Aber die werden wir nicht verlieren: unsere Erinnerungen. Wir werden an unsere Gefährten denken, an jene, die starben, und an jene, die überlebten. Lasst uns nicht vergessen, was wir tun mussten, wer wir werden mussten und wen wir verloren haben. Wir schulden es ihnen.«
    Wie so viele andere nickte Deilava und leistete einen stillen Schwur. In diesem Augenblick waren sie noch eins, über alle Grenzen hinweg, verbunden durch ihre Erlebnisse. Und Deilava erkannte, dass ein Teil dieser Verbundenheit nicht enden würde, solange sie sich erinnerte.
    Lange Zeit regte sich niemand, bis schließlich Narem aus der Mitte trat und damit den Bann brach, den er über sie gelegt hatte.
    Niemand musste den Elfen den Aufbruch befehlen. Sie schulterten ihre Ausrüstung und die Vorräte und machten sich auf den Weg zurück in den Wald. Eine Handvoll Krieger bewachte die Gefangenen, die hinter ihnen hergeführt wurden. Deilava beobachtete die Gruppe. Schmutzige Haut, blutige Flecken, hier und da Wunden, deren helles Rot fast zu leuchten schien. Die dichten Haare auf der Haut erschienen ihr wie ein Zeichen für die Wildheit der Zwerge, so als seien sie Tiere. Aber als sie dem Hintersten der kleinen Kolonne in die Augen sah – blau, so hell wie der Himmel an einem Sommertag –, da erkannte sie darin viel mehr. Hass glaubte sie zu sehen, vor allem aber Furcht. Hätte sie nur diesen Blick wahrgenommen, sie hätte nicht gewusst, ob es Elf oder Zwerg war, der sie ansah.
    Als die letzten Elfen an ihr vorbeigezogen waren, schloss sie sich ihnen an und wanderte mit ihnen wieder tiefer in den Wald. Für die Keibos mochten die weiten Ebenen Heimat bedeuten, und der ewige Himmel von Horizont zu Horizont mochte ihnen Sicherheit geben, für Deilava waren es das Blätterdach über ihr, die Bäume um sie herum, die Gewissheit, Teil des Waldes zu sein, die ihr Herz höherschlagen ließen. Sie zweifelte nicht daran, dass die anderen Elfen ebenso empfanden. Im Wald war ihr jedes Geräusch vertraut, jeder Anblick, jeder Geruch. Die Weichheit des Bodens unter ihren federnden Schritten, der Wechsel von Schatten und Licht, die Berührung von Blättern und Zweigen. Es war, als hieße der Wald sie wieder willkommen.
    Plötzlich riss ein Schrei sie aus ihren Gedanken. Parvan, ein gestandener Krieger, taumelte und stürzte, hielt sich die Seite. Ein Zwerg brach aus der Formation aus, sprang mit einem langen Satz über den Elfen und rannte in das Zwielicht zwischen den Bäumen. Er wandte den Kopf ruckartig hin und her, und Deilava glaubte seine blauen Augen zu erahnen.
    Sofort umstellten Elfen die anderen Zwerge, die Speere hoch erhoben. Deilava hakte die Sehne ihres Bogens ein und spannte sie mit einer einzigen geschmeidigen Bewegung, ehe sie einen Pfeil aus dem Köcher zog.
    Der Zwerg war noch nicht weit gekommen. Er brach unter großem Getöse durch das Unterholz. Dort, wo Elfen zwischen den Pflanzen entlanggeglitten wären, wo Deilava selbst nicht ein Blatt bewegt hätte, sofern sie es nicht gewollt hätte, brachen Zweige und knirschte Holz. Irgendwie hatte der Zwerg seine Handfesseln abgestreift.
    Neben Deilava kam Parvan wieder auf die Beine. Er schien unverletzt zu sein, schnaubte nur wütend und schüttelte den Kopf. Deilava beachtete ihn kaum, als sie den Pfeil auf die Sehne legte und sie zurückzog, bis ihr Blick den Schaft entlang bis zu dem Zwerg ging. Der Wald trat in den Hintergrund, sie nahm nur noch die Bewegung ihres Ziels wahr. Er bemühte sich nicht, auszuweichen, sondern stürmte einfach geradeaus davon. Es war kein schwieriger Schuss; das Unterholz war nicht sehr dicht, und er bot ein recht einfaches Ziel.
    Deilavas Atem verlangsamte sich. Die Spitze des Pfeils glitt wie von selbst etwas nach oben, ein wenig zur Seite, gerade genug, um den Hauch des Windes auszugleichen. Ein sauberer Schuss zwischen die Schulterblätter, dort, wo der dicke Zopf des Zwerges bei jedem Schritt von links nach rechts pendelte. Ohne Rüstung würde der Pfeil die Haut problemlos durchstoßen, sich durch Fleisch und Knochen bohren, der Brust die Luft und dem Körper die Kraft nehmen. Der Zwerg würde nach vorn stürzen, aus seinem Lauf würde ein Fallen. Noch bevor Blut aus der Wunde trat, würde er auf den Boden stürzen, alte Blätter aufwirbeln.

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