Die dunkle Horde: Ein Trolle-Roman (German Edition)
geschlungen hatte. Längst war die Haut über seinen Knochen aufgescheuert, und Blut lief über seine Hände und Hufe, aber er hörte nicht auf, an seinen Fesseln zu zerren, auch wenn er sich ansonsten vollkommen ruhig verhielt und, nach wie vor geknebelt, noch nicht einmal versucht hatte, etwas zu sagen.
Ruk betrachtete den Gefangenen immer wieder von der Seite, während er aß. Er will einfach nicht aufgeben, dachte er und wusste selbst nicht, warum ihm dieser Gedanke missfiel. Eigentlich sollte er zufrieden sein. Sie hatten Israks Auftrag erfüllt. Sie wussten, wo das Gebiet der Keibos begann, sie hatten herausgefunden, dass die Keibos in kleinen Gruppen umherstreiften. Sie wussten, wie sie kämpften und womit sie töteten. Und alles, was sie noch nicht wussten, würde Israk von ihrem Gefangenen erfahren können.
Ja, im Grunde hätte Ruk einfach nur froh sein sollen, endlich zum Stamm zurückzukehren, aber er war es nicht. Nicht zum ersten Mal fragte er sich, was sein Bruder Karn wohl gerade tat und ob er ebenso handeln würde wie er, Ruk, wenn er an seiner Stelle wäre.
Auch Ksisa wirkte erstaunlich still. Sie saß seit geraumer Zeit mit einem Stück Fleisch in der Pranke an dem kleinen Feuer, das sie entzündet hatten, biss davon aber weder ab, noch rührte sie sich überhaupt.
»Was hast du?«, fragte Ruk.
Die Trollin fuhr aus ihrer Starre auf und sah ihn an. »Nichts. Ich habe bloß an Tamma gedacht«, erwiderte sie.
Ruk nickte grimmig. »Mir hat es auch nicht gepasst, dass wir sie zurücklassen mussten. Was haben die Keibos wohl mit ihrem Körper gemacht?«
»Frag doch ihn hier«, sagte Breg und verpasste dem Keibos einen lässigen Tritt in die Seite. Der Gefangene gab ein Stöhnen von sich und versuchte vergeblich, Bregs Fuß auszuweichen.
»Lass das«, knurrte Ruk ärgerlich. »Er redet doch sowieso nicht.«
»Eben.« Bregs Stimme war zu einem bedrohlichen Knurren geworden. »Und deshalb ist er nichts wert, nur überflüssiger Ballast, den wir mitschleppen müssen, weil du es so willst.«
»Fang nicht wieder damit an«, warf Ksisa ein. »Ich dachte, darüber hätten wir oft genug gestritten.«
»Wir bringen ihn nach Hause, Breg«, sagte Ruk, »so wie wir es ausgemacht haben. Israk wird schon wissen, was er mit ihm machen muss.«
»Davon haben die Trolle, die sie getötet haben, auch nichts mehr«, gab Breg mit bedrohlich leiser Stimme zurück. »Wir hätten diesen verdammten Hufträgern eine Lehre erteilen sollen.«
»Und das werden wir auch noch. Aber dann gemeinsam mit dem Stamm.«
Einen Moment lang blieb Breg mit gefletschten Zähnen und in den Nacken geworfenem Kopf stehen, dann senkte er plötzlich die Arme und lief in den Wald. Ksisa schickte sich an, ihm zu folgen, aber Ruk hielt sie zurück.
»Lass ihn«, murmelte er. »Vielleicht beruhigt er sich ja wieder, wenn er ein paar Büsche zertrampeln und ein paar Vögel erschrecken kann.«
Die Trollin nickte und ließ sich wieder am Feuer nieder. Ruk nahm die Flasche aus Kabithanuss und ging zu dem Keibos hinüber. Er beugte sich hinunter, befreite den Gefangenen von dem Knebel und hielt ihm die Flasche an die Lippen. Aus der Nähe konnte er sehen, dass er Durst haben musste; seine Lippen waren rau und aufgesprungen. Aber der Keibos schüttelte den Kopf, als Ruk ihm Wasser geben wollte.
»Was soll das?«, fragte Ruk. »Du willst doch trinken, oder?«
Der Keibos gab ihm keine Antwort.
»Dann verdurste doch, du verfluchter, störrischer …« Gerade wollte Ruk sich abwenden, als ihm eine Idee kam. Genau das hatte der Gefangene vermutlich vor. Er musste wieder an den ersten Kampf mit den Keibos denken, bei dem sich einer von ihnen lieber ein Messer in den Hals gestoßen hatte, statt zuzulassen, dass ihn die Trolle mitnahmen.
»Du willst sterben, ja?«, fragte er den Keibos und schüttelte dann den Kopf. »Das können wir nicht zulassen. Wir müssen dich zu unserem Stamm mitnehmen. Also entweder trinkst du jetzt, oder Ksisa hier hält dir die Nase zu, während ich das Wasser in dich hineinschütte.«
Die Augen des Keibos weiteten sich, als er diese Worte hörte. Ruk fletschte die Zähne, um ihn seine Hauer sehen zu lassen und ihm zu zeigen, dass er es ernst meinte.
Dann nickte der Keibos und öffnete den Mund. Ruk ließ langsam Wasser zwischen seine Lippen rinnen, und nachdem der Keibos einmal angefangen hatte, trank er gierig weiter.
Als die Flasche leer war, ließ sich Ruk neben ihm ins Gras sinken.
»Ich bin Ruk«, sagte er. »Wir
Weitere Kostenlose Bücher