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Die dunkle Prophezeiung des Pan

Die dunkle Prophezeiung des Pan

Titel: Die dunkle Prophezeiung des Pan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Regnier
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abgereist. Er hat die Ankunft des britischen Botschafters
abgewartet und ist danach umgehend aufgebrochen. Wohin kann ich Euch
leider nicht sagen.«
    »Und
der Botschafter? Ob ich den fragen kann?«
    »Könntet
Ihr schon, aber der ist verschwunden. Wie vom Erdboden verschluckt.«
Madame de Rambaud schien diese Mitteilung eher aufregend als
bestürzend zu finden.
    Ich
schluckte und eine Gänsehaut lief mir über den Rücken.
Ich sah den Jungs nach, die sich mit Stöcken ein Gefecht
lieferten und fragte mich wohl zum hundertsten Mal, was ich hier tat,
nachdem Lee nicht mehr hier war. Und wo konnte er sein? Was mochte
dieser Botschafter ihm mitgeteilt haben? Was war überhaupt mit
dem passiert?
    Ein
kleiner Junge von ungefähr zwei Jahren lief auf seinen
Stummelbeinchen an uns vorbei zielstrebig zum Wasser. Ich sprang auf
und lief ihm nach. Erst am Ufer fing ich ihn ein. Die
Wasseroberfläche war glatt. Das Wasser an sich eher grün.
Das Kind nahm seine Haube vom Kopf und warf sie demonstrativ ins
Wasser. Kluges Kerlchen. Ich hätte dieses hässliche,
unbequeme Ding auch gehasst und das blöde Teil auf meinem Kopf
am liebsten hinterhergeworfen. Zumal er ein Junge war und gekleidet
wurde wie ein Mädchen.
    »Henri,
was tust du denn?«, rief seine Erzieherin in einem genervten
Tonfall. »Mademoiselle …«
    »Ja,
klar. Ich fische es raus!« Ich kniete mich ans Ufer und beugte
mich weit über den Wasserrand. Unter mir konnte ich im klaren
Wasser die verwesenden Blätter sehen und die einzelnen
Sonnenstrahlen. Ein leichter Wind kam auf und trieb die Haube weiter
aufs Wasser hinaus. Sie begann sich vollzusaugen. Es war nur noch
eine Frage der Zeit, wann sie unterging. Ich reckte mich und zuckte
wieder erschrocken zurück. Waren etwa Fische im Teich? Die
Wasseroberfläche kräuselte sich stärker und ich
erreichte die Haube mit meinen Fingerspitzen. Aus den Augenwinkeln
nahm ich etwas im Wasser wahr. Nicht die schmutzigen Blätter,
und nein, keine Fische. Es waren Felsen. Und an ihnen schlich sich
vorsichtig jemand vorbei.
    Lee!
    Ich
verlor das Gleichgewicht und fiel kopfüber ins kalte Wasser.
    Wie
peinlich. Alle machten ein Riesengewese, tummelten sich um mich,
schrien aufgeregt und schoben mich energisch zurück zum Schloss
in die Appartements. Ich hätte sie am liebsten zum Teufel
gejagt, aber allein bekam ich mich nicht ausgezogen. Ich schlotterte
am ganzen Leib, als wir endlich wieder im Schloss waren. Hinter einer
spanischen Wand waren Madame de Tourzel und ihre Zofe damit
beschäftigt sämtliche Bänder zu lösen.
    Ich
wurde ins Bett verfrachtet, mit heißen Eisenpfannen an meinen
Füßen, dicke Daunendecken wurden über mich gebreitet
und ein Dienstmädchen brachte mir eine Kanne heißen Tees.
Madame de Tourzel entschuldigte sich. Sie müsse sich jetzt
wieder um die Prinzen und Prinzessinnen kümmern.
    Ich
wurde allein gelassen und schlief ein.
    Ein
paar Stunden später wachte ich auf, weil ich unter den warmen
Decken schwitzte wie bei meinen ersten Jogging-Versuchen. Es musste
mitten in der Nacht sein, denn der Mond schien beinahe taghell durch
die Fenster auf mein Bett. Zudem war es ruhig. Völlig ruhig.
Anscheinend schliefen alle im Schloss.
    Jetzt,
wo mir warm und ich allein war, konnte ich in Ruhe nachdenken. Was
hatte ich im Wasser gesehen? Was hatte das zu bedeuten? Lee in einer
Höhle? War das eine Vision? Natürlich war das eine Vision,
aber was zeigte sie? Die Zukunft? Die Gegenwart? Die Vergangenheit?
War Lee jemals auf seinen Missionen gefangen genommen worden?
Versuchte er zu fliehen? Vor wem? Wo? In welchem Jahrhundert? Hieß
das Spiegelbecken vielleicht so, weil es noch mehr spiegelte als nur
die aufgestellten Skulpturen? Was, wenn die Vision die Gegenwart
zeigte? Was, wenn Lee Hilfe brauchte? Jetzt?
    Kurzerhand
schlug ich die Decken zurück, zog flugs meine Jeans und das
Sweatshirt an und schlich mich hinaus.
    So
spät konnte es doch nicht sein, denn kaum war ich im Park, hörte
ich aus der Ferne Musik, Stimmen und Gelächter. Weiter hinten,
wahrscheinlich im Spiegelsaal, vergnügte man sich noch.
    Ich
joggte in Richtung Spiegelbecken und hätte beinahe einen
Herzinfarkt bekommen, als der Löwe erneut brüllte. Zumal
andere Raubkatzen darauf antworteten. Mal schwächer, mal
heiserer. Ein regelrechtes Konzert. Anscheinend gab es mehrere
Raubkatzen in der sogenannten Menagerie. Hoffentlich waren die Gatter
zuverlässig. Das bewies eindeutig, dass die meisten Raubtiere
nachtaktiv waren. Mit mulmigem

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