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Die dunkle Prophezeiung des Pan

Die dunkle Prophezeiung des Pan

Titel: Die dunkle Prophezeiung des Pan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Regnier
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ihre Abstammung und Besitztümer.
Sobald wir den herbstlich bunten Park betraten, konnte ich sehr gut
verstehen, warum.
    Ab
und an wurde sie von ihrer Mutter schon ins Hofleben miteinbezogen.
Erstaunt sah ich, wie die Königin heute mit ein paar
aufgedrehten Höflingen und der Prinzessin in einem kleinen
Weiler Scharade spielte. Sie zogen sich einfache Kleider an und
versuchten Ziegen zu melken und Gänse zu hüten.
    »Mademoiselle,
wollt Ihr Euch nicht als Kuhhirtin versuchen?«
    Erschrocken
sah ich auf. Ich hatte gerade mit Madame de Tourzel und den anderen
Kindern zu einem Bassin gehen wollen, als die Königin selbst
mich ansprach.
    »Äh
…«
    Madame
de Tourzel gab mir einen Schubs. »Man widerspricht der Königin
nicht«, raunte sie mir zu.
    »Aber
ich kenne mich doch überhaupt nicht mit Kühen aus«,
wisperte ich verzweifelt zurück.
    Sie
schob mich energisch in die königliche Richtung und mir blieb
nichts anderes übrig als mitzumachen. Erst wurden mir Kleider
zugeteilt. Angeblich Bauernkleider, aber ich bezweifelte, dass die
Bauersfrauen im achtzehnten Jahrhundert Schürzen aus Seide und
Damast getragen hatten. Oder in deren Mieder Goldfäden
eingewoben waren. Dann bekam ich einen Stock in die Hand gedrückt
und um das andere Handgelenk wurde ein Seil gebunden. An dem hing die
Kuh. Sie starrte mich aus großen, braunen Augen an, als wolle
sie mir bereits mitteilen, dass ich keine Chance gegen sie hätte.
    »Das
ist Mirabelle«, erklärte Marie Antoinette, die aufgekratzt
war wie ein kleines Kind. »Mirabelle ist normalerweise eine
sehr zuverlässige Milchgeberin.«
    »Normalerweise?«,
wiederholte ich misstrauisch.
    »Normalerweise!«,
bestätigte sie fröhlich und schlug der Kuh kräftig auf
das ausladende Hinterteil.
    Die
Kuh machte einen Satz und rannte los. Mein Arm wurde mitgerissen und
ich stolperte und rannte neben der Kuh her. Hinter mir hörte ich
das johlende Gelächter der Höflinge. Ich rannte so schnell
wie nie zuvor in meinem Leben, um mit dieser dämlichen Kuh
mitzuhalten und nicht ins Gehege ihrer Hufe zu kommen. Ich raffte die
Röcke, um mehr Beinfreiheit zu erlangen. Den Stock hatte ich
direkt fallen lassen.
    Nach
ein paar Metern begann meine Lunge zu pfeifen und Seitenstechen
setzte mit voller Wucht ein. Gerade in dem Moment, in dem ich dachte,
lieber tot als weiter dieses Seitenstechen zu ertragen, blieb die Kuh
stehen. Sie schnaufte genauso wie ich. Ich war wirklich versucht, die
Königin ihrem Schicksal zu überlassen.
    Als
ich mit einer brav neben mir her trottenden Mirabelle zurück zum
Weiler kam, klatschten alle begeistert.
    Marie
Antoinette lief mir entgegen und küsste links und rechts meine
Wangen. »Ihr ward großartig«, sagte sie und jetzt
war ihr Lächeln aufrichtig und freundlich. »Setzt Euch
hierher zu mir. Jeanne, seid so gut und holt Mademoiselle was zu
trinken. Ich hätte nicht gedacht, dass ihr mithaltet.«
    Ich
plumpste kraftlos neben ihr auf die kleine Mauer und beugte mich vor,
noch immer außer Atem. Besagte Jeanne reichte mir einen Becher
Wasser. Ich leerte ihn in einem Zug. Den zweiten ebenso. Erst nach
dem dritten konnte ich der Dame ins Gesicht sehen. Ach herrje. Das
war Jeanne de la Motte. Sie füllte meinen Becher ein weiteres
Mal und gesellte sich dann zu den anderen Höflingen.
    »Woher
könnt Ihr so laufen?«, fragte die Königin neugierig.
    »Den
Röcken ist das nicht zu verdanken«, antwortete ich
trocken.
    Sie
lachte. Wenn Marie Antoinette nicht gerade die Monarchin
herauskehrte, war sie ganz nett, stellte ich im Verlauf des Tages
fest.
    Auch
war das Scharadespiel nicht ganz so schrecklich wie zu Anfang
gedacht. Die Königin behandelte mich sehr wohlwollend und wollte
mich stets in ihrer Nähe wissen. Das hatte auch sofort
Konsequenzen. Beim Umkleiden in den sehr luxuriös ausgestatteten
Bauernhäusern waren meine Kleider plötzlich verschwunden.
Wir suchten, fanden sie aber nicht. Ich war gezwungen in diesem
»Kostüm« zurück zum Schloss zu gehen. Besser
als nass, sagte ich mir.
    Als
wir uns am späten Nachmittag auf den Rückweg zum Schloss
machten, hakte sich Marie Antoinette bei mir unter.
    »Ihr
gefallt mir, Mademoiselle. Wie war noch Euer Vorname?«
    »Felicity.«
    »Oh,
eine Fee. Wusstet Ihr, dass es eine ganz besondere Fee in Frankreich
gibt? Sie heißt Melusine. Angeblich verwandelte sie sich im
Wasser in einen Drachen. Ich werde euch ab sofort Mademoiselle
Melusine nennen.«
    »Das
klingt nicht sonderlich schmeichelhaft«, erwiderte ich

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