Die dunkle Quelle
hatten
wohl im fernen Nordosten ihr Leben lassen müssen. Damit man bei Terrek Rüstungen
herstellen konnte, wurde in Kauf genommen, daà der Lairon-See tiefreichend
verschmutzt wurde. Die Königin zerstörte ihr Land und ihre Menschen â um was zu
gewinnen? Was wog schwerer als Land und Menschen?
Die
Götter?
War es möglich, daÃ
auch die Königin â genau wie der Kreis â auf der Suche nach den Göttern war,
nur daà sie dabei einen vollkommen anderen Weg eingeschlagen hatte? Nicht den
Weg des Gleichgewichts und der Erhaltung, sondern einen Weg, auf dem alles Beständige
in Unordnung versetzt werden muÃte und alles Vergängliche zerstört?
Rodraeg erschauerte vor
seinem eigenen Gedanken. Ein Hustenanfall holte ihn zurück auf den harten Boden
der Tatsachen.
Was sollte er jetzt
tun, jetzt, in diesem Augenblick? Sollte er dieses Rüstungslager vernichten?
Falls ja, dann wie? Konnte Feuer den Schwarzwachsrüstungen überhaupt etwas
anhaben? Wie sollte Rodraeg zwischen diesen Felswänden ein nachhaltiges Feuer
anlegen?
Sollte er sich den
Schild, den er aus dem Regal genommen hatte, aneignen? Verdient hatte er ihn
sich â durch einundvierzig Tage harte Arbeit. Aber es war ein Schild, der für
die Getreuen der Königin gedacht war. Rodraeg war kein Getreuer der Königin und
wollte sich auch nicht mit deren Insignien schmücken. Er wollte nichts hiervon.
Er rià sich los und
ging weiter auf die Suche nach dem Kalksack, und endlich wurde er fündig. Der
Sack hatte urspünglich zehn Festliter gefaÃt, nun waren noch gute acht übrig. Das
konnte genügen, um die Quelle massiv zu verschmutzen. Rodraeg schob sich
umständlich den Anderthalbhänder durch den Gürtel, schulterte den Sack und
machte sich auf den Rückweg. Auf halber Strecke in dem tropfsteindurchbohrten
Nebengang drang ein Geräusch an seine Ohren, das eigentlich längst hätte
verstummt sein sollen.
Waffenklirren?! Wer
kämpfte denn jetzt noch? Natürlich. Rodraeg hatte es von Anfang an geahnt:
Deterio hatte noch ein paar Kruhnskrieger um sich geschart und einen letzten
Gegenangriff eingeleitet. Aber warum erst jetzt, wo er es mit sechs Gegnern zu
tun hatte? Warum nicht vorher schon, bevor Rodraeg die Klippenwälder und Hellas
befreien konnte? Hatte Deterio wirklich so viel Hoffnungen auf das Gittertor
gesetzt, auf Zembe, ihre vier Männer, Hallsass und die Arbeiter? Die vielen
Fragezeichen in seinem Kopf lieÃen Rodraeg fast verzweifeln. Er mühte sich,
seine Schritte zu beschleunigen, und erreichte die Haupthöhle. Die dunkle
Quelle spie und röhrte. Wasser troff über ihren Rand hinab und stieg als
ätzender Dampf wieder auf. Unendlich viel Wasser. Keine Lache. Ein steter
Zustrom. Hustend näherte Rodraeg sich der Grube, als im kaum zu erkennenden
Umrià des Ausgangs eine hinkende, riesige Silhouette auftauchte.
»Rodraeg?« brüllte die
Silhouette. »Rodraeg?« DrauÃen schepperten Waffen auf Schilde. Verwundete
schrien.
»Ich bin hier, Migal.
Ich habe den Kalk.«
»Vergià den Kalk. Wir
müssen das Tor schlieÃen, sonst ist alles verloren.« Migal schubste gebeugt die
beiden Holzscheite aus dem Torbereich, humpelte zur Kettenwinde und begann,
daran herumzuhantieren.
»Wieso denn?« fragte
Rodraeg. »Was ist los?«
»Die Pferdefresser sind
wieder in der Ãberzahl. Keine Ahnung, wo die herkommen. Aber wenn wir lange
genug verhindern, daà die das Wasser von der Grube fernhalten, ist die Grube
nicht mehr zu retten. Wir haben oben am Bach die Wasserzuleitung geöffnet und
hier unten die Verschlüsse zerschlagen. Das Wasser läuft jetzt, bis der
Talkessel voll ist.«
»Aber das ist doch
Irrsinn! Das Wasser vermischt sich mit dem Schwarzwachs und ist dann
verschmutzt. Wir können doch nicht das Tal und den Wald mit giftigem Wasser
fluten!«
»Wir müssen Zeit
gewinnen, sonst ist Bestar umsonst gefallen. Kommst du raus oder bleibst du
hier drinnen? Ich mache jetzt dicht.«
Rodraeg war wie vor den
Kopf geschlagen. Der Qualm war jetzt schon so beiÃend, daà jeder Atemzug wie
Nadeln schmerzte. Bestar? Gefallen? Bestar?
»Warte auf mich, um
Himmels Willen! Laà mich raus hier!« Rodraeg lieà den Kalksack fallen und
rannte durch das Tor. Jemand kam ihm aus den Schatten der Nacht entgegen und
hechtete an ihm vorbei. Migal hatte die Ketten gelöst, das Tor begann
Weitere Kostenlose Bücher